Friday, 06. February 2009 – Saturday, 07. February 2009 Save in my calendar

Kongress: Demokratie wagen!

Debatten zur Zukunft der Gesellschaft

Zu Beginn seiner Regierungszeit gab Willy Brandt die Parole aus: «Mehr Demokratie wagen». Dieser emphatische Slogan ist in dieser Durchschlagskraft heute nicht mehr vorstellbar. Als Reaktion auf gesellschaftlich veränderte Bedingungen scheint eine Beschränkung der Reichweite auf originär politische Räume und eine Steigerung der Effizienz politischer Institutionen an die Stelle des Demokratisierungselans der sechziger und siebziger Jahre getreten zu sein.

Ökonomische und kulturelle Entgrenzung im Zuge der Globalisierung und eine Reihe weiterer Faktoren tragen dazu bei, dass sich unsere demokratische Praxis wandelt: von der Entwicklung unseres föderalen Systems bis zur Veränderung der Parteiendemokratie, von der Entwicklung hin zu einem sich multiethnisch und multikulturell verstehenden Nationalstaat, der neuer Begründungszusammenhänge bedarf, bis hin zu einer rapiden Veränderung der Medienlandschaft.

Gleichzeitig wird die Modernisierung öffentlicher Institutionen – von den Schulen bis zur Arbeitsagentur, vom Umgang mit immateriellen Gütern bis zur Medienlandschaft – zur politischen Herausforderung.

Mit dem Begriff der „Postdemokratie“ (Colin Crouch) wird ein Begriff ins Spiel gebracht, der diese dramatische Veränderung der politischen Entscheidungspraxis zu beschreiben versucht. Er verweist auf die rasante Veränderung tradierter demokratischer Strukturen und behauptet, die Demokratie, wie wir sie kennen, sei an ein Ende gekommen. Wie ist dieser Prozess zu bewerten? Ändert sich nur unsere demokratische Praxis? Oder ist es der Grundsatz demokratischer Legitimation selbst, der schleichend verabschiedet wird?

Zwangsläufig stellt sich auch die Frage von Partizipation neu. Die derzeitige Debatte bewegt sich zwischen zwei Polen: der Revitalisierung einer demokratischen Institutionenpolitik und eines neuen Republikanismus. Dabei werden Institutionen als Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandlungsprozesses gesehen. Die mit dem Schlagwort „Institution matters!“ beschriebene Aufforderung ist so zu begreifen, daß die bestehenden Institutionen weiterentwickelt und verändert werden müssen, damit sie ihre öffentliche – und das heißt ihre demokratische - Funktion erfüllen können. Voraussetzung für eine solche Transformation ist die bürgerschaftliche Einmischung. Institutionen, in die kein gesellschaftliches Engagement einfließt, in denen sich kein Streit um das Gemeinwohl organisiert und keine Interessenrepräsentation stattfindet, werden zu kalten Bürokratien. Neuer Republikanismus wiederum lebt von Formen bürgerschaftlichen Engagements, das nicht nur Beteiligungsrechte einfordert, sondern ihnen auch Chancen der Durchsetzung und der Mitsprache ermöglicht.

Was sind die Vorraussetzungen für republikanische Einmischung und Engagement? Wie können Institutionen so anpassungs- und wandlungsfähig gehalten werden, dass sie demokratischen Anforderungen genügen? Was muss soziale Teilhabe umfassen, um eine nachhaltige und stabile Demokratie zu gewährleisten?
Zu dem Kongress sind alle Interessierten eingeladen, sich zu diesen Schlüsselfragen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens zu beratschlagen.