Vortrag

Dienstag, 24. März 2015 20.00 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Vortrag

Die neue religiöse Intoleranz und ihre Folgen für die Einwanderungsgesellschaft

Reihe: Das Unbehagen in der Kultur im Spätkapitalismus

Von neuen Religionskriegen ist allerorten die Rede, eine Theologie der Gewalt breitet sich aus. Im Blickfeld der öffentlichen Debatten sind aber meistens, oft sogar allein, Musliminnen und Muslime und auch hier nur Terrorgruppen, die mit Koran, Kalaschnikow und Säbel in der Hand mordend Gottesstaaten errichten wollen. Besonders seit 9/11 werden islamistische Gewalttäter zunehmend als Symbolfiguren und Repräsentanten für eine tief sitzende und prinzipielle Gewaltaffinität des Islam wahrgenommen. Die Folge davon sind z.B. Burka-Verbote in Frankreich und Belgien oder die Volksabstimmung gegen den Bau von Minaretten in der Schweiz, vor allem aber eine wachsende Feindseligkeit gegen Muslime in den westlichen Gesellschaften schlechthin.
Bedroht ist damit auch die große Mehrheit der friedlichen Muslime. Martha Nussbaum, eine der bedeutendsten Philosophinnen der USA, hat in ihrem jüngsten Buch über die neue religiöse Intoleranz diese Situation gründlich analysiert. Sie unterscheidet die begründete Furcht vor Gewalt (als rationale Angst) von der diffusen Angst als einer „verdunkelnden Voreingenommenheit“, die mit einem narzisstischen „Fokus auf die eigene Person (…) andere Menschen in die Dunkelheit verbannt“. Obwohl diese Ängste in einer wahrhaft gefährlichen Welt essenziell sind, so sind sie doch selbst auch eine der großen Gefahren für das Zusammenleben in Einwanderungsgesellschaften. Ihr Buch, ein Plädoyer für mehr Toleranz, hat zwiespältige Reaktionen hervorgerufen, wir setzen uns mit ihrer Argumentation auseinander.

Vortrag und Diskussion mit Dr. Wolfgang Lenk

Die Veranstaltung ist kostenfrei.
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Infos im Bildungswerk: Birgit Guth, guth@bildungswerk-boell.de

Die Veranstaltung wird realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.

Die Veranstalter behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

Allgemeine Hinweise zur Reihe: "Das Unbehagen in der Kultur des Spätkapitalismus":

Sigmund Freud analysierte in seinem Klassiker "Das Unbehagen in der Kultur" einen anthropologischen Konflikt zwischen den menschlichen Triebstrukturen und den Verhaltenszumutungen gesellschaftlicher Ordnungen. Sein berühmtes Buch, 1930 erschienen, war auch ein Dokument der genauen Beobachtung seiner Zeit. Im damaligen Europa zeichneten sich deutlich die Gefahren von Krieg, weiteren Diktaturen und autoritär sozialisierten, unterwerfungsbereiten Massen ab.

Aus drei Quellen des Leidens drohen dem menschlichen Lustprinzip durch die jeweilige Kultur (im weiteren Sinne von Zivilisation und Herrschaft) Einschränkungen nach Freud: 1. aus dem eigenen Körper, der von Alterung und Krankheiten geschwächt wird, 2. aus den gesellschaftlichen Machtverhältissen, insbesondere Ökonomie, Politik und Krieg, 3. aus den Beziehungen zu anderen Menschen (im weiteren Sinne von Privatheit und Vergemeinschaftung).

Ohne Frage haben die von Freud theoretisch entwickelten Spannungen zwischen menschlichem Begehren, Selbstbildern und sozialen Ordnungen heute eine veränderte historische Gestalt angenommen - und sie werden in den heutigen philosophischen und humanwissenschaftlichen Diskursen auch mit sehr unterschiedlichen Theorieansätzen beschrieben. Die gegenwärtige kulturelle Symptomatologie des Spätkapitalismus bietet eine Menge Rohstoff für die drei Freudschen Quellen des Unbehagens in unserer Zeit. Machtsysteme und Medienkulturen erzeugen fortlaufend neue Bilder und Konzepte des Körpers, der Gesellschaft und des privaten Lebens.
Die Vortragsreihe geht von Freuds Erkenntnismotiv aus (woher speist sich das Unbehagen in der Kultur?), stellt aber neue Bücher mit klugen und relevanten Analysen der Jetztzeit vor. Sie greift das gewachsene Aufklärungsinteresse, das in der Gesellschaft existiert, auf. So geht es bei der Veranstaltung im Kern um die Vermittlung von solidem Wissen über bedeutende Diagnosen unserer Zeit in der Form von einführenden und verständlichen Vorträgen mit anschließender Diskussion.

Adresse
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Sebastianstr. 21
10179 Berlin
Veranstalter*in
Landesstiftung Berlin (Bildungswerk)
Teilnahmegebühren
kostenfrei