Freitag, 26. Januar 2007 14.00 – 18.00 Uhr In meinem Kalender speichern

13. Werkstatt-Gespräch: Zwangsprostitution, Menschenhandel und der Freier

Im Begleitprogramm zur Ausstellung `Sexwork`

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat angekündigt, ein neues Gesetz in den Bundestag einzubringen, nach dem die Freier von Zwangsprostituierten zur Rechenschaft gezogen werden können. Die UNO geht, laut einer Untersuchung von 2004, von 200.000 Zwangsprostituierten in Deutschland aus, andere Schätzungen liegen bei 120.000. Dem gegenüber stehen 289 Ermittlungsverfahren mit 811 Opfern – bundesweit.
 
Nach dem heute geltenden Gesetz ist der Menschenhandel auch jetzt schon illegal. Dazu bedarf es keiner neuen Regelung. Indem jedoch der Freier unter Strafrechtsverdacht gerät, stellt sich die Situation neu dar. Die juristischen Aspekte der Frage – etwa das Problem, dass es schwierig sein wird, einem Freier nachzuweisen, dass er wissend mit einer Zwangsprostituierten Sexualverkehr hatte – sollen nicht im Zentrum dieses Werkstattgesprächs der Grünen Akademie stehen. Dennoch bietet es sich an, den Blick auf den Prostitutionskunden zu richten. In fast allen bisherigen Untersuchungen über Prostitution – gleichgültig, ob es sich um die Geschichte der Prostitution oder um den aktuellen Prostitutionsmarkt handelt – stehen entweder die Hure oder der Zuhälter im Focus der Betrachtung. Der Kunde hingegen erscheint in den Worten des Soziologen Jacques Poulin, der sich mit dem Phänomen des wachsenden Sexmarktes beschäftigt hat, als „der große Abwesende der internationalen Konventionen und Untersuchungen über die Prostitution.“
 
Muss man sich nicht fragen, ob der Freier zu einem Söldner der Nationalökonomie geworden ist? Eben dies scheint die große Neuerung auf dem Sektor der Prostitution im 20. Jahrhundert zu sein: die freiwillige und massive Unterwerfung der Prostitutionskonsumenten unter eine symbolische Ordnung, die den engen Zusammenhang zwischen Globalisierung und Sextourismus, abstraktem digitalem Geld (ohne nationale Deckung) und Sexkonsum herstellt. Wurde die Prostitution noch im 19. Jahrhundert mit einem mächtigen (biologisch bedingten) Sexualtrieb des Mannes erklärt, so scheint dieser Trieb heute eher im Dienst der Ökonomie zu stehen. Wie gering sie selbst die „Männlichkeit“ ihrer Prostitutionsklienten einschätzen, offenbarten die Vertreterinnen französischer Prostituiertenverbände in einem öffentlichen Aufruf vom Sommer 2006, in dem sie sich gegen eine gesetzliche Einschränkung der Prostitution in Frankreich aussprachen: „Unsere Klienten sind keine Fleischfresser, die nach Sex hungern, so wie sie beschrieben werden. Sie sind oft sehr schüchtern und verlangen nach Diskretion. An Fußballabenden bleiben sie unter sich und sind zu betrunken, um Sex zu haben.“ 

Mit:
Sabine Grenz, Humboldt-Universitaet, Kulturwissenschaft:
`Das perfekte sexuelle Erlebnis. Freier auf der Suche`

Loretta Ihme, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, Kulturwissenschaft:
`Perverse, Tuerken, Heilige. Zur Alterisierung des Freiers in kulturellen Erzaehlungen ueber Frauenhandel`

Rebekka Harms, Mitglied des Europaeischen Parlaments, Buendnis90/Die Gruenen, GrueneAkademie

Aneta Hristova, LEFOE_IBF, Wiener Beratungsstelle für Betroffene des Frauenhandels (Einführung)

Moderation: Christina von Braun und Birgit Sauer (GrüneAkademie)


Programm (PDF)