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- Freitag, 14. Mai 2021 19.00 – 21.00 Uhr In meinem Kalender speichern
Abtreibungspraktiken im Deutschen Kaiserreich: Geburtenrückgang – Biopolitik – Gebärstreik
Vortrag von Prof. Dr. Anna Bergmann
Der Vortrag behandelt die rechtliche, medizinische und sexualpolitische Normierung der 1871 im Reichsstrafgesetzbuch des Deutschen Kaiserreichs verankerten Abtreibung als ein Tötungsdelikt und die daraus langfristig entstandenen Konsequenzen für die Abtreibungspraxis von Frauen. In Deutschland, aber auch in anderen Industrieländern, entwickelten sich seit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert der Gebrauch neuer Verhütungstechniken und die sich damit verbindende Abtreibungspraxis zu einem Massenphänomen, das sich statistisch als Geburtenrückgang niederschlug. Dieser demografische Wandel löste eine hitzige bevölkerungspolitische Diskussion aus. Eine breite Front gegen die dem weiblichen Keuschheitsideal widersprechende, aber dennoch von Frauen praktizierte Geburtenkontrolle wurde mit antifeministischen, rassenhygienischen, sexualmoralischen und biopolitischen Argumentationsfiguren aufgebaut.
Die Verschmelzung des nationalstaatlichen Interesses an einer hohen Bevölkerungszahl mit der christlich-bürgerlichen Sexualmoral bereitete den Boden für die Strafverfolgung der sich hinter verschlossenen Türen ausbreitenden Abtreibungspraxis, die auch als Frauenwiderstand unter dem Begriff ‚Gebärstreik‘ zur Diskussion stand. Gleichzeitig wurden im Rahmen der Bekämpfung des Geburtenrückgangs alle Voraussetzungen für die Errichtung eines ärztlichen Monopols auf Abtreibung und Verhütung geschaffen, das am Endpunkt des im 16. Jahrhundert begonnenen Maskulinisierungsprozesses der Geburtshilfe etabliert werden konnte. In ihrer wissenschaftlichen Expertenrolle prägte die männliche Gynäkologie die Debatte um den Geburtenrückgang und forderte einerseits die Legalisierung der medizinischen sowie rassenhygienischen Indikation für die Abtreibung als Instrument der ‚Rassenverbesserung‘, andererseits eine verschärfte Strafverfolgung des von Frauen vorgenommenen Schwangerschaftsabbruchs. So hatten Gynäkologen schon im Kaiserreich damit begonnen, unter eugenischen Zielsetzungen neben Sterilisationen und Kastrationen auch Aborte durchzuführen. Frauen aus dem Armutsmilieu wurden bereits in dieser Ära zu Objekten von rassenhygienisch indizierten Zwangsabtreibungen, um ‚den Volkskörper‘ von so bezeichneten ‚Minderwertigen‘ zu ‚reinigen‘.
Der Vortrag erläutert die historischen Weichenstellungen für eine Entwicklung, die selbstabtreibende Frauen als Mörderinnen stigmatisierte, während parallel dazu eine medizinische Definitionsmacht über den Schwangerschaftsabbruch unter eugenischen Paradigmen errichtet werden konnte.
Eine Kooperation mit Pro Choice Sachsen.
Die Veranstaltung werden live auf Facebook gestreamt. Auf der Facebook-Seite von Pro Choice Sachsen und sind auch anzuschauen, ohne bei Facebook registriert zu sein.
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- Landesstiftung Sachsen (Weiterdenken)