Vortragsreihe
- Dienstag, 26. August 2014 20.00 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern
Agonie des Eros? Die Kritik der narzisstischen Gesellschaft bei Bjung-Chul Han
Reihe: Das Unbehagen in der Kultur im Spätkapitalismus
Der wachsende Narzissmus in unserer Kultur lässt den Anderen in seinem Dasein als ein wirklich Anderer in unserer Wahrnehmung erodieren. Während Intimität und sexualisierte Bildwelten zunehmend den öffentlichen Raum prägen, befinden wir uns auf dem Weg in eine Gesellschaft, in der die privaten Umgangsformen sich in umfassender, aber kaum merklicher Weise nach den Imperativen des Konsums richten. Als Ergebnis entsteht eine Gesellschaft ohne Erotik, denn Erotik bleibt immer bestimmt vom Reiz des Anderen und nicht von seiner Verfügbarkeit. Dieses sind einige der Thesen, die Byung-Chul Han - heute einer der meistgelesenen Zeitdiagnostiker - in seinem Buch über die Agonie des Eros entwickelt. Vortrag und Diskussion werden die Gedanken von B.-C. Han erschließen und auf die Möglichkeit der Veränderung "unserer" alltäglichen Umgangsformen beziehen. Lebensformen und -Reformen sind heute - vielleicht mehr denn je - ein Kernbestandteil der sozialen und kulturellen Bewegungen und damit auch eines "alltagspolitischen Experimentalismus". Doch obwohl B.-C. Han genau darauf abzielt, fragt sich: Können wir seine kulturkritische Analyse ergänzen durch Beobachtungen und Erfahrungen, die wir selber bei unserem Umgang mit dem Reiz des Anderen machen?
Vortrag und Diskussion mit Dr. Wolfgang Lenk
Die Veranstaltung ist kostenfrei.
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Infos im Bildungswerk: Birgit Guth, guth@bildungswerk-boell.de
Die Veranstaltung wird realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.
Sigmund Freud führte das Unbehagen in der Kultur auf einen anthropologischen Konflikt zwischen den menschlichen Triebstrukturen und den Verhaltenszumutungen sozialer Ordnungen zurück. Doch sein berühmtes Buch, das 1930 erschien, war auch ein Dokument der genauen Beobachtung seiner Zeit. Im damaligen Europa zeichneten sich bereits deutlich die Gefahren von Krieg, weiteren Diktaturen und folgebereiten, nach Autorität und Unterwerfung dürstenden Massen ab. Ist unsere heutige Situation davon gänzlich oder zum Teil unterschieden? Und wenn ja: wie?
Freud hat drei Quellen des Leidens unterschieden, aus denen dem menschlichen Lustprinzip durch die jeweilige Kultur (im weiteren Sinne von Zivilisation und Herrschaft) Einschränkungen drohen: 1. der eigene Körper, der von Alterung und Krankheiten geschwächt wird, 2. die „Außenwelt“ der Gesellschaftsordnung, einschließlich Ökonomie, Politik und Krieg, 3. die Beziehungen zu anderen Menschen (im weiteren Sinne von Privatheit und Vergemeinschaftung). Freud begreift die Krise einer „Kultur“ als historische Konstellation, in der die Sublimierungen, von der jede Kultur lebt, nicht ausreichend reproduziert werden. Feindbilder und Aggressionen werden dann manifest.
Die Vortragsreihe geht zwar von Freuds Erkenntnismotiv aus (woher speist sich das Unbehagen in der Kultur?), wendet sich aber klugen und wichtigen Positionen im gegenwärtigen Diskurs zu, und greift das gewachsene Aufklärungsinteresse auf, das in der Gesellschaft existiert.
Dabei geht es nicht vorrangig um das ökonomisch Offensichtliche, sondern um das kulturdiagnostisch weniger Deutliche: Strukturen und Lebenswelten unserer „Kultur“, die u.a. mit sozial geprägten Emotionen, demokratischen Werten, ausdifferenzierten Lebensformen verknüpft sind.
Die gegenwärtige kulturelle Symptomatologie des Spätkapitalismus bietet eine Menge Rohstoff für die drei Freudschen Quellen des Unbehagens und deren öffentlicher Diskursivierung in unserer Zeit. Medienkulturen erzeugen täglich neue Bilder und Konzepte des Körpers, der Gesellschaft und unserer Lebensformen.
- Adresse
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Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Olivaer Platz 16
10707 Berlin
- Veranstalter*in
- Landesstiftung Berlin (Bildungswerk)
- Teilnahmegebühren
- kostenfrei