

Online-Diskussion
- Dienstag, 14. März 2023 14.00 – 15.30 Uhr In meinem Kalender speichern
Böll.Global 14 | Kompliziert und politisiert: Erdbebenhilfe in der Türkei und Nordsyrien
Eine Online-Gesprächsreihe zu aktuellen internationalen Entwicklungen
Das verheerenden Erdbeben und zahlreiche Nachbeben in der Südosttürkei und in Nordsyrien haben mindestens 50.000 Tote gefordert. Die Überlebenden harren in Schulen, Turnhallen und Zelten aus, bei Kälte, Schnee und Regen.
In der Türkei sind rund 25 Millionen Menschen in zehn Provinzen betroffen. Ganze Städte liegen in Trümmern; kritische Infrastruktur wie Straßen, Flughäfen und Krankenhäuser sind zerstört. Im Nordwesten Syriens hat die durch den elfjährigen Krieg leidgeprüfte Bevölkerung bereits vor den Beben in von Granaten zerstörten Häusern gelebt; 5,3 Millionen Syrerinnen und Syrer sind nun zusätzlich obdachlos geworden.
Das Krisenmanagement der türkischen Regierung wird scharf kritisiert, insbesondere in den ersten Tagen waren vielerorts zu wenige Rettungsteams zu spät und mit zu wenig Ausrüstung in der Region angekommen. Nun einen Monat später haben die Zelte der türkischen Katastrophenschutzbehörde AFAD immer noch nicht alle Regionen erreicht und vielerorts gibt es immer noch keine Trinkwasserversorgung. Wie politisiert die Erdbebenhilfe dabei wird, zeigen Berichte über beschlagnahmte Hilfsgüter der prokurdischen Partei HDP und Verhaftungen von Journalist*nnen, die vor Ort über die Entwicklungen im Erdbebengebiet berichten.
Im Nordwesten Syriens sieht es nicht besser aus. Besonders vulnerabel ist die großteils von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) kontrollierte Provinz Idlib, in der sich auch viele Dissident*innen und Aktivist*innen aufhalten. Dort trafen die ersten Lieferungen mit der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen erst vier Tage nach dem Erdbeben ein. Nur ein Bruchteil der benötigten Hilfe hat die Region bisher erreicht. Nach Angaben der syrischen Rettungsorganisation Weißhelme fehlt es weiterhin an schwerem Gerät, um den Schutt zu räumen und Leichen zu bergen. Die Forderung des syrischen Regimes, die humanitäre Hilfe über Damaskus zu liefern, erschwert den Zugang für humanitäre Hilfe in die sogenannten Oppositionsgebiete. Gleichzeitig benutzt Präsident Bashar al-Asad das Erdbeben und die damit verbundene humanitäre Notlage als Vorwand, um die Normalisierung in den Beziehungen mit Staaten der Region voranzutreiben, wie sein jüngster Staatsbesuch im Oman oder der Besuch des ägyptischen Außenministers in Damaskus zeigte. Die USA und die EU haben Sanktionen temporär gelockert und letztere gar eine Luftbrücke nach Damaskus eingerichtet.
Die Zivilbevölkerung bleibt in den betroffenen Gebieten weitgehend auf sich allein gestellt und versucht, sich an den Verwaltungen und Beschlagnahmungen vorbei zu helfen. Unterstützend im Einsatz sind lokale zivilgesellschaftliche Organisationen, und in einigen Gebieten Nordsyriens vor allem auch die im Verlaufe des Krieges gewachsenen zivilgesellschaftlichen Selbsthilfestrukturen. Eine vom deutschen Außen- und Innenministerium eingerichtete Task-Force arbeitet daran, es Deutschen mit türkischer Familie zu ermöglichen, ihre von den Erdbeben betroffenen Angehörigen vorübergehend bei sich aufzunehmen. Die bürokratischen Hürden bleiben jedoch hoch, und Syrer*innen bleiben ganz außen vor.
Wie ist die Situation vor Ort, welche Personengruppen sind besonders verwundbar?
Welche Hilfe ist akut notwendig, und wie sollte sie geleistet werden? Welche Akteur*innen sollten prioritär unterstützt werden?
Welche langfristigen Folgen wird das Erdbeben haben, was muss langfristig getan werden?
Wie hat sich die deutsche Regierung bisher eingesetzt, worauf sollte sie sich in Zukunft fokussieren?
Diese und weitere Fragen diskutieren:
- Julia Bartmann, stellvertretende Büroleitung Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul
- Sara Stachelhaus, Programmkoordinatorin im Syrien-Programm für die Heinrich-Böll-Stiftung in Beirut
- Neda Noraie-Kia, Referentin für Flucht und Migration, Europa, Heinrich-Böll-Stiftung Thessaloniki
- Alexandra Buskie, Presse und Öffentlichkeitsarbeit, Weißhelme, Syrien
Kontakt:
Louisa Reeh
E reeh@boell.de
Pressekontakt:
Heinrich-Böll-Stiftung
Laura Hofmann
Pressesprecherin
E hofmann@boell.de
T +49 (0)30 285 34-202
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- Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin
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