Montag, 04. Dezember 2006 19.30 – 21.30 Uhr In meinem Kalender speichern

Briefe einer Rotkreuzschwester von der Ostfront

Buchpräsentation und Podiumsdiskussion

Feldpostbriefe sind das andere Gesicht des Krieges. Sie sind private Kommentierungen, die Alltagsgeschichte erzählen. Sie sind ein wichtiges Medium, um das Kriegsgeschehen zu verdeutlichen. Nach ländläufiger Wahrnehmung sind es Briefe von Männern. Viele dieser Sammlungen sind Zeugnisse von Soldaten, die ihren Frauen in der Heimat berichten. Die Trennung entlang herkömmlicher Geschlechtergrenzen entspricht nicht der Realität des Krieges, das beweisen die `Briefe einer Rotkreuzschwester von der Ostfront`. Sie bezeugen den Krieg, wie ihn hunderttausende von Frauen als Flakhelferinnen, als Wehrmachtshelferinnen und in großer Zahl im Lazarettdienst erlebten, in Hörweite der Geschütze, besonders bei den Rückzügen oft in unmittelbarer Nähe zum `Feind`.

Als letzte Krankenschwester verläßt Brigitte Penkert den Kessel um Ostpreußen. Ihre Briefe bieten einen schonungslosen Blick auf das Kapitel `weiblicher` Kriegsgeschichte auf dem Weg in die Vernichtungskatastrophe des Zweiten Weltkrieges. Brigitte Penkert ist äußerst diszipliniert, es entspricht ihrem Selbstbild, allen Mühen und Ansprüchen gewachsen zu sein. Vorgeprägt durch die Hierarchie in den Krankenpflegerberufen war es Frauen wie ihr möglich, sich in die Militärhierarchien nahtlos einzufügen. Dies kollidierte mit der offiziellen Darstellung, die den Krankenschwestern im Kriegsdienst lediglich Hilfsdienste zuschrieben.

Auch ihr Briefstil unterstreicht die Identifikation mit dem Militär. Ihre Briefe drücken eine `soldatische Haltung` aus: hart, nüchtern, pragmatisch, fast `grobianistisch`. Zugleich teilte sie die Ideologie des Dritten Reiches. Die Briefe geben Einblick in die Gedanken- und Gefühlswelt einer überzeugten Nationalsozialistin. Sie vertritt bis zum bitteren Ende die rassistische Weltsicht des Regimes, reagiert auf das sie umgebende Kriegsgrauen mit Durchhalteparolen, überlebt den Krieg und kommt mit der Zivilität und Normalität der Nachkriegsgesellschaft nicht mehr zurecht.

Wie vereinbarte sie die Widersprüche, die sich aus der Geschlechterideologie des Nationalsozialismus und dem Kriegsdienst ergaben? Inwieweit war ihre Haltung charakteristisch für die Frauen in Militärhierarchien, die sich auch ideologisch mit den jeweiligen Kriegszielen identifizieren?

mit:
Dr. Jens Ebert, Herausgeber
Prof. Christine Eifler, Soziologin, Zentrum für Feministische Studien, Universität Bremen
Prof. Clemens Schwender, Kommunikationswissenschaftler,
Jacobs University Bremen

Moderation:
Dr. Marianne Zepp, Heinrich-Böll-Stiftung