Montag, 04. Oktober 2010 19.00 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Copyleft Now! - Neue Spielregeln für das digitale Zeitalter?

Schlaglichter aus Argentinien und Europa

mit:
Julio Raffo, Anwalt, Experte für Filmrecht, Buenos Aires
Patricio Lorente, Präsident Wikimedia Argentina, Buenos Aires
Beatriz Busaniche, Medienwissenschaftlerin, Organisation Vía Libre, Buenos Aires
Jeanette Hofmann, Politikwissenschaftlerin, London School of Economics und Wissenschaftszentrum Berlin, Sachverständige der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft”, Berlin

Moderation:
Michael Álvarez, Heinrich-Böll-Stiftung, Büroleitung Cono Sur, Santiago de Chile

Das argentinische Urheberrecht zählt zu den restriktivsten der Welt: Selbst öffentliche und
Universitätsbibliotheken müssen Gebühren für eine potentielle Vervielfältigung ihrer Bestände entrichten –
diese machen einen erheblichen Teil ihres Budgets aus. Diese Praxis widerspricht nicht nur der alten, kulturübergreifenden Leitidee öffentlicher Bibliotheken, sondern auch einem seit der Krise 2001 politischen
und gesellschaftlichem Konsens: Über öffentliche Bildung den Bürger_innen des Landes Instrumente zur
Überwindung von Exklusion und Ungleichheit zu verschaffen.

Befürworter des derzeitigen Urheberrechtes wollen vor allem die eigene Kultur unterstützt und gefördert sehen,
sowohl als bedeutender Wirtschaftszweig wie auch explizit als identitätsstiftendes Element. Insbesondere als
Reaktion auf die Überflutung mit billigen und „frivolisierten“ Produkten und Leitbildern internationaler Produktion
der 90er Jahre soll somit auch eine neue kulturelle Diversität garantiert werden.

Doch zahlreiche kreative, zivilgesellschaftliche Initiativen setzen sich in Argentinien für eine Reform des Urheberrechts
ein. Sie befürchten, dass der freie Zugang zu Wissen und Bildung gefährdet und demokratische Grundwerte
in Frage gestellt werden. Die Erfahrung, dass künstlerische Werke wie materielle Güter behandelt werden und dass die Bereitstellung von Wissen für alle im Internet bestraft wird, veranlasst diese Initiativen neue Strategien zu entwickeln. Strategien selbstverwalteter Verlage und Autoren bspw., die ihre Lizenzbedingungen selber festlegen. Ein Instrument, dessen sie sich dabei bedienen heißt „Copyleft“.

Mit ihren Forderungen stehen sie nicht alleine da – weltweit werden Debatten um ein zukunftstaugliches Urheberrecht geführt. Der Brückenschlag nach Argentinien im Vorfeld der Buchmesse dient daher dem Austausch zu zentralen Fragen, die auch in Deutschland ganz oben auf der Agenda stehen:

Welche Auswirkungen hat das Urheberrecht auf die Zugangsmöglichkeiten zu Kultur, zu Wissen und zu
öffentlich finanzierter Bildung? Wer profitiert von den Zugangsbeschränkungen? Verhindert das Urheberrecht die Entwicklung von Instrumenten zur Überwindung von Armut und Ungleichheit? Erleichtert es künstlerisches Schaffen? Produziert es Einschränkungen der Meinungsfreiheit? Welche Rolle spielt es in der Entwicklung einer pluralen Medienlandschaft? Und welche Folgen hat ein restriktiv praktiziertes, Zugänge verschließendes Urheberrecht bei (wachsenden) sozialen und ökonomischen Disparitäten für die demokratische Verfasstheit einer Gesellschaft?