- Dienstag, 12. April 2011 19.00 – 21.00 Uhr In meinem Kalender speichern
Das Amt und die Vergangenheit
Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik
Im Rahmen der Reihe
Politisches Buch in der Kunsthofbuchhandlung:
Vortrag und Diskussion mit Prof. Eckart Conze
»Der Mythos, das Auswärtige Amt sei von 1933 bis 1945 ein Hort des Widerstands gewesen, gehört zu den langlebigsten Legenden über das Dritte Reich. Wie aber verhielten sich die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes nach Hitlers Machtübernahme wirklich? Und wie stellten sie sich dann in der Bundesrepublik zu ihrer Vergangenheit? Vom ersten Tag an war das Auswärtige Amt unmittelbar in die Gewaltpolitik des NS-Regimes eingebunden. Es schirmte die ‚Judenpolitik‘ des Dritten Reichs nicht nur nach außen ab, sondern war in allen Phasen aktiv an ihr beteiligt. Überall in Europa fungierten deutsche Diplomaten als Wegbereiter der ‚Endlösung‘, sie wirkten mit an der ‚Erfassung‘ der Juden und an ihrer Deportation. Opposition aus dem Auswärtigen Dienst heraus blieb individuell und die Ausnahme. Nach Kriegsende wurden nur wenige Beamte für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen, viele konnten auf ihre Wiederverwendung hoffen und setzten ihre Karriere fort.« (Klappentext)
»Erneut hat der 1963 geborene Historiker mit einer seiner Studien selbst Geschichte geschrieben. ...Conze kritisiert in seiner Untersuchung eine in Deutschland vorherrschende ‚geschichtspolitische Befindlichkeit‘, die konservative Eliten per se entlastet. Dabei scheut er sich nicht, Namen zu nennen: die verstorbene ‚Zeit‘-Publizistin Marion Gräfin Dönhoff, die das Image vom sauberen diplomatischen Dienst lange verteidigt habe. Gemeinsam mit Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker habe sie dessen Vater Ernst, zu Nazizeiten Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in Schutz genommen. Dabei sei klar, dass dieser schon 1936 aktiv an der Ausbürgerung von Thomas Mann mitgewirkt habe. ...
Lange hat das Außenamt bestritten, aktiv an der ‚Endlösung‘, der systematischen Auslöschung der Juden in ganz Europa, beteiligt gewesen zu sein. Auch dafür nennt Conze die elitären Saubermänner beim Namen, eine ‚verbrecherische Organisation‘. Und er nennt Fakten: Noch 1950 waren 42 Prozent der Angehörigen des höheren Dienstes ehemalige NSDAP-Mitglieder, sogar mehr als 1939.
Allerdings: Nicht das ganze Auswärtige Amt war naziverseucht. So erzählt Conze die Geschichte von Fritz Kolbe, der ab 1943 vor allem den USA Hinweise über den vom Regime geheim gehaltenen Holocaust zukommen ließ. Der Diplomat im Widerstand wurde nach dem Krieg am Wiedereintritt in das AA gehindert und erst 2004 offiziell rehabilitiert.«
(Kai Schöneberg in Financial Times Deutschland, 27.10.2011)
»Es ist das Verdienst der Autoren, an zahlreichen Beispielen detailliert und nahezu lückenlos den Beitrag des AA zur Eroberungs- und Vernichtungspolitik der Nazis nachzuzeichnen. Nahezu lückenlos, muss man einschränkend anmerken, weil die Historiker den intransparenten Zugang zum Archiv des Außenministeriums kritisieren und sich nicht sicher sind, alle wesentlichen Unterlagen zu Gesicht bekommen zu haben.« (Otto Langels im Deutschlandfunk, 27.10.2011)
Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann
Das Amt und die Vergangenheit
Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik
880 Seiten, Verlag: Blessing, Oktober 2010
Politisches Buch in der Kunsthofbuchhandlung:
Vortrag und Diskussion mit Prof. Eckart Conze
»Der Mythos, das Auswärtige Amt sei von 1933 bis 1945 ein Hort des Widerstands gewesen, gehört zu den langlebigsten Legenden über das Dritte Reich. Wie aber verhielten sich die Angehörigen des Auswärtigen Dienstes nach Hitlers Machtübernahme wirklich? Und wie stellten sie sich dann in der Bundesrepublik zu ihrer Vergangenheit? Vom ersten Tag an war das Auswärtige Amt unmittelbar in die Gewaltpolitik des NS-Regimes eingebunden. Es schirmte die ‚Judenpolitik‘ des Dritten Reichs nicht nur nach außen ab, sondern war in allen Phasen aktiv an ihr beteiligt. Überall in Europa fungierten deutsche Diplomaten als Wegbereiter der ‚Endlösung‘, sie wirkten mit an der ‚Erfassung‘ der Juden und an ihrer Deportation. Opposition aus dem Auswärtigen Dienst heraus blieb individuell und die Ausnahme. Nach Kriegsende wurden nur wenige Beamte für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen, viele konnten auf ihre Wiederverwendung hoffen und setzten ihre Karriere fort.« (Klappentext)
»Erneut hat der 1963 geborene Historiker mit einer seiner Studien selbst Geschichte geschrieben. ...Conze kritisiert in seiner Untersuchung eine in Deutschland vorherrschende ‚geschichtspolitische Befindlichkeit‘, die konservative Eliten per se entlastet. Dabei scheut er sich nicht, Namen zu nennen: die verstorbene ‚Zeit‘-Publizistin Marion Gräfin Dönhoff, die das Image vom sauberen diplomatischen Dienst lange verteidigt habe. Gemeinsam mit Ex-Bundespräsident Richard von Weizsäcker habe sie dessen Vater Ernst, zu Nazizeiten Staatssekretär im Auswärtigen Amt, in Schutz genommen. Dabei sei klar, dass dieser schon 1936 aktiv an der Ausbürgerung von Thomas Mann mitgewirkt habe. ...
Lange hat das Außenamt bestritten, aktiv an der ‚Endlösung‘, der systematischen Auslöschung der Juden in ganz Europa, beteiligt gewesen zu sein. Auch dafür nennt Conze die elitären Saubermänner beim Namen, eine ‚verbrecherische Organisation‘. Und er nennt Fakten: Noch 1950 waren 42 Prozent der Angehörigen des höheren Dienstes ehemalige NSDAP-Mitglieder, sogar mehr als 1939.
Allerdings: Nicht das ganze Auswärtige Amt war naziverseucht. So erzählt Conze die Geschichte von Fritz Kolbe, der ab 1943 vor allem den USA Hinweise über den vom Regime geheim gehaltenen Holocaust zukommen ließ. Der Diplomat im Widerstand wurde nach dem Krieg am Wiedereintritt in das AA gehindert und erst 2004 offiziell rehabilitiert.«
(Kai Schöneberg in Financial Times Deutschland, 27.10.2011)
»Es ist das Verdienst der Autoren, an zahlreichen Beispielen detailliert und nahezu lückenlos den Beitrag des AA zur Eroberungs- und Vernichtungspolitik der Nazis nachzuzeichnen. Nahezu lückenlos, muss man einschränkend anmerken, weil die Historiker den intransparenten Zugang zum Archiv des Außenministeriums kritisieren und sich nicht sicher sind, alle wesentlichen Unterlagen zu Gesicht bekommen zu haben.« (Otto Langels im Deutschlandfunk, 27.10.2011)
Eckart Conze, Norbert Frei, Peter Hayes, Moshe Zimmermann
Das Amt und die Vergangenheit
Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik
880 Seiten, Verlag: Blessing, Oktober 2010