Gespräch
- Mittwoch, 24. April 2019 09.30 – 11.30 Uhr In meinem Kalender speichern
Dreißig Jahre "Friedliche Revolutionen"
Politische Anliegen ostmitteleuropäischer Dissidenten
Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 war eine Zäsur, der Abschluss des „kurzen 20. Jahrhunderts“ (1914 – 1989), das von zwei Weltkriegen geprägt war, die in Europa ihren Ursprung hatten. Als friedlicher Übergang zur Demokratie und „Rückkehr nach Europa“ verzeichneten die Ereignisse im Jahr 1989 internationale Resonanz, und die ostmitteleuropäischen Emanzipationsbewegungen wurden allerorts bewundert.
Jener Machttransfer wurde bewirkt durch Verhandlungen zwischen den Dissidentenbewegungen Ostmitteleuropas sowie der DDR und den gemäßigten Eliten des alten Regimes. Im Rückblick kann diese Veränderung als originäres Vermächtnis von 1989 gelten: die Möglichkeit des Triumphes eines gewaltlosen zivilen Ungehorsams über Diktaturen, die sich durch Repressionen und eine Besatzungsarmee zu schützen suchten.
Die Welt nach 1989 lässt sich als Ergebnis einer dreifachen Transformation verstehen: des Übergangs zur Demokratie; der Globalisierung der Marktwirtschaft sowie des Triumphes des Westens im „Kalten Krieg“ als Vorspiel zur Wiedervereinigung Europas. Dreißig Jahre später zeigen sich die Grenzen der drei miteinander verbundenen Zyklen: erstens vom demokratischen Elan von 1989 zur Krise der Demokratie, wesentlich verursacht durch die Zunahme rechtspopulistischer Parteien und Gruppierungen in ganz Europa; zweitens vom uneingeschränkten Triumph der globalisierten Marktwirtschaft zur internationalen Finanz-und Wirtschaftskrise; und drittens von der Hoffnung der 90er Jahre auf eine geeintes und freies Europa und eine neue internationale Ordnung, die auf global governance basieren sollte, zur Wiederbehauptung nationalistischer und imperialer Machtpolitik.
In diesem Zusammenhang ist es deshalb 30 Jahre nach den „Friedlichen Revolutionen“ in den ostmitteleuropäischen Staaten an der Zeit, kritisch danach zu fragen, worin das geistige und politische Erbe der Dissidenten bestand und ob es für gegenwärtige Probleme eine wegweisende Wirkung zu entfalten vermochte.
Referent: Wolfram Tschiche (Theologe, Philosoph, Publizist, als DDR-Oppositioneller engagiert; Klinke OT Badingen)
Mittwoch, 24. April 2019, 09.30 – 11.30 Uhr im Lutherhaus Jena, Hügelstraße 6a