Vortrag

Dienstag, 14. April 2015 20.00 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Vortrag

Ein "Liberalismus der Minderheiten" - warum?

Reihe: Das Unbehagen in der Kultur im Spätkapitalismus

Verkehrte Welt: Was Liberalismus ist, scheint nach Jahrzehnten neoliberaler, d.h. wirtschaftsliberaler Politik reichlich unklar geworden zu sein. Jetzt erst ist ein Buch auf Deutsch erschienen, das bereits vor 25 Jahren in den USA veröffentlicht und dort schnell zu einem Klassiker der modernen politischen Philosophie wurde: Judith N. Shklars "Liberalismus der Furcht". Der originelle Ansatz von Shklars prägnantem Text besteht darin, einen Liberalismus "von unten" zu denken, der nicht länger von der Suche nach einer idealen gesellschaftlichen Ordnung bestimmt ist, sondern seinen argumentativ Ausgangspunkt von dem nimmt, was unter keinen Umständen gewollt werden kann.
So sind es beobachtbare Tatsachen wie z.B. Rassismus, soziale Ungerechtigkeit, wirtschaftliche Not, Flucht und Vertreibung, deren Aufhebung eine liberale Philosophie begründen kann. Nicht ein höchstes Gut, sondern der Kampf gegen die größten Übel soll den Liberalismus der Minderheiten begründen. Ein solcher "situierter" Liberalismus "ohne Pause" setzt weder bei moralischen Prinzipien noch beim erhofften Ausgleich privater Interessen an, sondern bei der Sensibilisierung für Ungerechtigkeiten. Die aktuelle Bedeutung solcher politischer Philosophie springt ins Auge, denn sie durchdenkt das Unbehagen am traditionellen Liberalismus gründlich.

Vortrag und Diskussion mit Dr. Wolfgang Lenk

Die Veranstaltung ist kostenfrei.
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Infos im Bildungswerk: Birgit Guth, guth@bildungswerk-boell.de

Die Veranstaltung wird realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.

 

Allgemeine Hinweise zur Reihe: "Das Unbehagen in der Kultur des Spätkapitalismus":

Sigmund Freud analysierte in seinem Klassiker "Das Unbehagen in der Kultur" einen anthropologischen Konflikt zwischen den menschlichen Triebstrukturen und den Verhaltenszumutungen gesellschaftlicher Ordnungen. Sein berühmtes Buch, 1930 erschienen, war auch ein Dokument der genauen Beobachtung seiner Zeit. Im damaligen Europa zeichneten sich deutlich die Gefahren von Krieg, weiteren Diktaturen und autoritär sozialisierten, unterwerfungsbereiten Massen ab.

Aus drei Quellen des Leidens drohen dem menschlichen Lustprinzip durch die jeweilige Kultur (im weiteren Sinne von Zivilisation und Herrschaft) Einschränkungen nach Freud: 1. aus dem eigenen Körper, der von Alterung und Krankheiten geschwächt wird, 2. aus den gesellschaftlichen Machtverhältissen, insbesondere Ökonomie, Politik und Krieg, 3. aus den Beziehungen zu anderen Menschen (im weiteren Sinne von Privatheit und Vergemeinschaftung).

Ohne Frage haben die von Freud theoretisch entwickelten Spannungen zwischen menschlichem Begehren, Selbstbildern und sozialen Ordnungen heute eine veränderte historische Gestalt angenommen - und sie werden in den heutigen philosophischen und humanwissenschaftlichen Diskursen auch mit sehr unterschiedlichen Theorieansätzen beschrieben. Die gegenwärtige kulturelle Symptomatologie des Spätkapitalismus bietet eine Menge Rohstoff für die drei Freudschen Quellen des Unbehagens in unserer Zeit. Machtsysteme und Medienkulturen erzeugen fortlaufend neue Bilder und Konzepte des Körpers, der Gesellschaft und des privaten Lebens.
Die Vortragsreihe geht von Freuds Erkenntnismotiv aus (woher speist sich das Unbehagen in der Kultur?), stellt aber neue Bücher mit klugen und relevanten Analysen der Jetztzeit vor. Sie greift das gewachsene Aufklärungsinteresse, das in der Gesellschaft existiert, auf. So geht es bei der Veranstaltung im Kern um die Vermittlung von solidem Wissen über bedeutende Diagnosen unserer Zeit in der Form von einführenden und verständlichen Vorträgen mit anschließender Diskussion.

Adresse
Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung
Olivaer Platz 16
10707 Berlin
Veranstalter*in
Landesstiftung Berlin (Bildungswerk)
Teilnahmegebühren
kostenfrei