Freitag, 20. Mai 2011 – Sonntag, 22. Mai 2011 In meinem Kalender speichern

Jenseits des Wachstums?!

veranstaltet von `Rosa Luxemburg Stiftung`

Ökologische Gerechtigkeit. Soziale Rechte. Gutes Leben. Kongress von Attac, Rosa Luxemburg Stiftung, Friedrich Ebert Stiftung, Heinrich Böll Stiftung, Otto Brenner Stiftung u.a.


Die ökologischen wie ökonomischen Grenzen des gegenwärtigen `Wachstumsmodells` sind erreicht. Wir können nicht so weiter machen wie bisher, wollen wir unseren Planeten auch in Zukunft bewohnen. Darin sind sich alle politischen Lager einig. Doch was wächst da eigentlich? Geht es um Wachstum durch Kapitalverwertung, also Akkumulation auf erweiterter Stufenleiter, die in jeder Epoche mehr Energie und Ressourcen verbraucht? Oder um das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP), in das auch die Reparatur sozialer oder ökologischer Schäden mit einfließt? Die Milliarden zur Bekämpfung der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko steigerten das BIP der USA beträchtlich. Nicht gezählt wird hingegen die unbezahlte, meist häusliche Produktions- und Reproduktionsarbeit, obwohl unerlässliche gesellschaftliche Stütze. Der Einsatz menschlicher und natürlicher Ressourcen hätte anders als im Kapitalismus in einer bedürfnisorientierten Ökonomie nicht unbedingt etwas mit Wert, Geld, Verwertung, Löhnen zu tun. Bedürfnisse und Ökonomie können sich qualitativ entwickeln ohne quantitativ stofflich wachsen zu müssen. Ökologisch relevant ist eigentlich nur das stoffliche und energetische Wachstum.

Fast 40 Jahre nach der vom Club of Rome 1972 veröffentlichten Studie diskutieren offizielle Kommissionen neue, qualitative Kriterien zur Messung nicht nur ökonomischer Entwicklung. Schon 1990 wurde auf der Ebene der Vereinten Nationen der Human Development Index entwickelt, der Pro-Kopf-Einkommen, formales Bildungsniveau und Lebenserwartung kombiniert. Seit 1991 gibt es die Umweltökonomische Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamtes. Auf betreiben des französischen Präsidenten Sarkozy setze die Europäische Union 2009 eine `Glückskommission` zur Bestimmung von neuen Indikatoren für `wirtschaftliche Performance und sozialen Fortschritt` ein. Ihr gehörten die Neoliberalismuskritiker Joseph Stiglitz, Amartya Sen und Jean-Paul Fitoussi an. In Bhutan wird das Bruttonationalglück bereits erhoben, und der Deutsche Bundestag hat zu Beginn des Jahres 2011 die Enquête-Kommission `Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität` eingesetzt. Eine politische Wende ist mit diesen neuen Indikatoren jedoch nicht verbunden.

Eine sozialökologische Wende aber ist überfällig. Nachdem über Jahre Ökologie und Ökonomie als Gegensätze behandelt wurden, wird inzwischen von vielen im Feld der Mosaik-Linken – zumindest rhetorisch – eine ökologische Modernisierung als Chance für die ökonomische und damit soziale Entwicklung betrachtet. Natürlich bestehen enorme Differenzen über Wege und Zielrichtung: soziales oder qualitatives Wachstum, grünes Wachstum bzw. Green New Deal und steady-state-economy ohne Wachstum markieren einige der unterschiedlichen Ansätze. Sie alle bestimmen die notwendige Wende als Win-Win-Situation, in der alle profitieren: die Wirtschaft mit neuen Wachstums- und Exportmärkten, die lohnabhängigen mit neuen Jobs, der Staat mit zusätzlichen Steuereinnahmen und die Ökologie mit der Entkopplung einer grünen Wirtschaft vom wachsenden Ressourcen- und Energieverbrauch. Andere bestreiten, dass eine Entkopplung von ökonomischen und stofflichem Wachstum möglich ist, und fordern Schrumpfung (DeGrowth). Bei einigen wird dies mit der Perspektive eines Guten Lebens (Buen Vivir) verbunden, die statt auf steigenden Warenkonsum auf Zeitwohlstand und den Reichtum menschlicher Beziehungen zielt. Bei manchen schwingt ein moralischer Appell zu einem bescheideneren, weniger `materiellen` Leben im Einklang mit der Natur mit. Der damit verbundene `Wertewandel` integriert Verzicht in eine gleichermaßen für alle asketische Lebensweise.

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Rosa Luxemburg Stiftung