Dienstag, 07. November 2006 19.30 – 21.30 Uhr In meinem Kalender speichern

Jour Fixe: Der Ernstfall in Darfur: Versagt die internationale Gemeinschaft erneut?

Das Ultimatum der sudanesischen Regierung an den UN-Sondergesandten Jan Pronk im Sudan zur sofortigen Ausreise ist der letzte, traurige Höhepunkt einer langen Reihe von Eskalationen und Vertragsbrüchen. Der Sonderbeauftragte hat die Aufgabe, die Umsetzung des Nord-Süd-Friedensabkommens zu beobachten und zu einer friedlichen Lösung des Konflikts in Darfur beizutragen. Der Führung der National Congress Party (NCP) ist jedoch jedes Mittel Recht, um ihre Herrschaft in Khartum zu sichern. So wird das im Frühjahr hastig formulierte und unter Druck durchgesetzte Friedensabkommen für Darfur, das die sudanesische Regierung zu Macht- und Ressourcenteilung mit ihrem ehemaligen Bürgerkriegsgegner SPLM im Süden des Landes verpflichtet, systematisch unterminiert.<br> <br> Die internationale Staatengemeinschaft hatte sich zwar nach dem Völkermord in Ruanda verpflichtet, künftig mit allen Mitteln einen weiteren Genozid zu verhindern. Doch am „Casus Darfur“ zeigt sich erneut, wie unterschiedliche, als „strategisch“ definierte nationale Interessen schnelle und zielorientierte Maßnahmen der Völkergemeinschaft zur Vermeidung einer humanitären Katastrophe blockiert werden: Sowohl Russland als auch die Staaten der Arabischen Liga, vor allem aber China weigern sich bislang, Sanktionen zur Durchsetzung der vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Entsendung internationaler Truppen zuzustimmen. Für China ist der Sudan mit seinen Erdöl- und Erzvorkommen einer der wichtigsten Rohstofflieferanten im weltweiten Wettlauf um knapper werdende Ressourcen. Der Konflikt in diesem afrikanischen Land an der Grenze zwischen dem muslimischen und Subsahara-Afrika ist daher zugleich für Peking die Nagelprobe seiner Anfang des Jahres explizit ausformulierten Afrikapolitik, die auf den Prinzipien der Nicht-Einmischung in innere Angelegenheiten, Gleichheit und beiderseitigem Gewinn beruht. Erstmals lassen sich im Sudan-Konflikt wie in einem Brennglas somit die Auswirkungen eines neuen Machtgefüges in der internationalen Politik beobachten. Während die USA -durchaus auch mit Blick auf diese neuen Machtverhältnisse- mittlerweile mit verstärkten Druck auf eine Lösung drängen, zögert die EU noch, den offenen Konflikt mit den konkurrierenden Großmächten zu suchen.<br> <br> Lässt sich die Eskalation im Darfur-Konflikt noch mit diplomatischen Mitteln verhindern oder steuert das Land auf eine weitere humanitäre Katastrophe unabsehbaren Ausmaßes zu? Mit welchen konkreten Maßnahmen kann und muss die internationale Staatengemeinschaft intervenieren, um die Gewaltspirale anzuhalten? Besteht eine realistische Aussicht auf eine erfolgreiche Einbindung Chinas, Russlands und der Staaten der Arabischen Liga in eine effektive Strategie zur Verhinderung eines weiteren Völkermordes?<br> <br> <b>Es diskutieren</b>:<br> Volker Beck, MdB, Bündnis 90/ Die Grünen<br> Pekka Haavisto, EU-Sonderbeauftragter für die Republik Sudan<br> Lotte Leicht, Human Rights Watch<br> Reiner Morell, Auswärtiges Amt<br> <br> <b>Moderation</b>:<br> Dominic Johnson, die tageszeitung<br>