Dienstag, 05. Juli 2011 19.30 – 21.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Jour Fixe: Die Türkei nach den Wahlen – Restauration oder Chance für einen demokratischen Aufbruch?

Debatten zur Internationalen Politik

Mit
Ayhan Bilgen, Vorstandsmitglied des Civil Society Development Center (türk. Sivil Toplum Gelistirme Merkezi) und Sprecher der Peace Assembly (türk. Baris Meclisi).
Necdet Ipekyüz, Mitglied im Vorstand der Menschenrechtsstiftung der Türkei (türk. Türkiye Insan Haklari Vakfi, TIHV) 

Moderation
Ulrike Dufner, Leiterin des Büros der Heinrich-Böll-Stiftung in Istanbul

Aus den Parlamentswahlen am 12. Juni ist die regierende AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan erneut als Sieger hervorgegangen. Das Ziel aber, mit einer Zweidrittelmehrheit im künftigen Parlament die Verfassung ändern zu können, verfehlte die AKP klar - nicht einmal die notwendigen 330 Sitze, um die Verfassung per Referendum zu verändern, konnte Erdogan für seine Partei verbuchen.

Mit gut 50 Prozent der Stimmen erreichte die AKP eine solide Mehrheit, wird ihre weiterreichenden Vorhaben jedoch nicht so einfach durchsetzen können, sondern muss die Zusammenarbeit mit der Opposition suchen.

Schon 2007 hatte Erdogan angekündigt, eine neue Verfassung ausarbeiten zu wollen, auch von einem angestrebten Präsidialsystem war die Rede - zwei Punkte, die die konservative Opposition unbedingt verhindern will. Dass die nationalistische MHP mit rund 13 Prozent der Stimmen ins neue Parlament einzieht, werten Beobachter als eine Folge von Leihstimmen der konservativen Republikanischen Volkspartei CHP: Nur mit beiden Parteien im Parlament galt es als sicher, die Zweidrittelmehrheit der AKP zu verhindern. Die CHP konnte ihren Stimmanteil auf 26 Prozent steigern.

Das zweite Großthema ist die Kurdenfrage, und so sind die unabhängigen Kandidaten des prokurdischen Blockes die nächsten Gewinner der Wahl. Dieses Bündnis aus Linkspolitikern und kurdischen Kreisen zieht mit rund 6,6 Prozent der Stimmen und 36 Abgeordneten ins Parlament ein.

Die Kurdenfrage hatte bereits den Wahlkampf geprägt. Die heimliche kurdische Hauptstadt Diyarbakir erlebte einen bis dahin nie gesehenen Ansturm an Wahlkampfveranstaltungen der verschiedenen Parteivorsitzenden - auch der Konservativen und der Nationalisten und natürlich von Erdogan selbst.

Im neuen Parlament sind so zwei Blöcke gestärkt worden: Die konservative CHP und die Kurdenpartei BDP, die Erdogan im Wahlkampf noch als `terroristisch` tituliert hatte. Mit diesen Mehrheitsverhältnissen geht die Türkei in die neue Legislaturperiode, und das wirft Fragen auf:
  • Was bedeutet das Wahlergebnis für das Vorhaben einer neuen Verfassung?
  • Das zukünftige Parlament: Lebendiger Parlamentarismus oder gegenseitige Blockade?
  • Wie stehen die Chancen für konstruktive Initiativen zur Bearbeitung der Kurdenfrage?
  • Letztlich: Wo steht die demokratische Entwicklung der Türkei?