- Dienstag, 01. Juni 2010 19.30 – 21.30 Uhr In meinem Kalender speichern
Jour Fixe: Kolumbien nach der Ära Uribe - Chancen für einen Neuanfang?
Debatten zur Internationalen Politik
Am 30. Mai wird in Kolumbien ein neuer Präsident gewählt. Dass das möglich ist, verdankt das Land dem Obersten Gerichtshof, der im Frühjahr dieses Jahres den Wunsch des konservativen Präsidenten Álvaro Uribe, ein weiteres Mal wiedergewählt zu werden, für verfassungswidrig erklärt hat.
Entgegen aller Erwartungen hat sich in den Monaten vor der Wahl kein Wettstreit zwischen dem klar favorisierten Uribe-Mann Juan Manuel Santos und dem Kandidaten des linken `Polo Democrático Alternativo`, Gustavo Petro, ergeben. Der Polo-Block ist abgeschlagen, dafür liefert sich der einstige Bürgermeister Bogotás, Antanas Mockus, als Kandidat der kleinen Grünen Partei in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Santos.
Zwei Tage nach der Wahl wollen wir im Rahmen der `Debatten zur internationalen Politik` die Ergebnisse diskutieren und analysieren, welche Perspektiven sich für Kolumbien aus dem Wahlresultat ergeben. Der Gewinner wird vermutlich noch nicht feststehen, denn falls kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht, ist eine Stichwahl zwischen den beiden Bestplatzierten für den 20. Juni vorgesehen.
Dabei finden die demokratischen Wahlprozesse in Kolumbien nicht im luftleeren Raum statt. Zwar hat sich die Sicherheitslage in den Städten in den letzten Jahren verbessert. Große Teile der städtischen Mittelschichten sind mit diesem Teil der Uribe-Politik einverstanden, und auch die oppositionellen Kandidaten Petro und Mockus wagen es trotz vehementer Kritik von Menschenrechtsgruppen kaum, im Wahlkampf die Sicherheitsdoktrinen zu thematisieren.
Aber in Kolumbien herrscht immer noch Krieg zwischen mindestens drei bewaffneten Gruppierungen: der linken Guerillaorganisation Farc, dem Militär und den rechten Paramilitärs. Guerilla und Paramilitärs sind in den Drogenhandel verwickelt, die meisten Massaker an der Zivilbevölkerung gehen auf das Konto der Paramilitärs. Als ehemaliger Verteidigungsminister ist es ausgerechnet der konservative Kandidat Santos, der für einige der größten Skandale aus den letzten Jahren direkte Verantwortung trägt, unter anderem die unter dem Schlagwort `Falsos Positivos` bekannt gewordene Deklaration ermordeter Zivilisten als im Kampf gefallene Guerilleros. Die von Präsident Uribe 2005 initiierte Demobilisierung der Paramilitärs, da sind sich die meisten Menschenrechtsorganisationen einig, hat eher dem Zweck gedient, ihnen Straffreiheit für ihre Verbrechen zu garantieren, als sie tatsächlich aufzulösen. Umgekehrt ist in den letzten Jahren durch Recherchen und Ermittlungen deutlich geworden, wie tief die Politik, insbesondere Politiker aus Uribes Partei, mit den Paramilitärs verwoben sind.
Ergeben sich aus dem Abgang Uribes Chancen für einen neuen Friedensprozess in Kolumbien? Was ist von der Politik des `Antipolitikers` Antanas Mockus zu halten? Ist Kolumbien in der Lage, seine von Massakern und Gewalt geprägte Vergangenheit aufzuarbeiten und hinter sich zu lassen? Welche Rolle spielen externe Akteure wie die USA, Venezuela und die anderen lateinamerikanischen Nachbarländer für den Wahlkampf und die weitere Entwicklung kolumbianischer Politik? Welche programmatische Ausrichtung verbirgt sich hinter der Grüne Partei, für die Mockus in den Wahlkampf zog? Wie ist trotz bekannter schwerer Menschenrechtsverletzungen das positive Image der kolumbianischen Regierung in Europa zu erklären, und welche Rolle kann die EU in Zukunft spielen?
- Veranstalter*in
- Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin