Dienstag, 06. Februar 2007 19.30 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Jour Fixe: Palästina: Zwischen Bürgerkrieg und Einheitsregierung


Ein Jahr nach dem überraschenden Wahlsieg der Hamas und der darauf folgenden Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen Israels und westlicher Staaten gegen d ie Autonomiebehörde steckt die palästinensische Gesellschaft in einer tiefen Krise. Mit dem Regierungsantritt konnte Hamas die Amtsgeschäfte nicht wirklich übernehmen: Der Apparat wird nach wie vor von der Fatah kontrolliert, deren Anhänger als Angestellte der Behörde besonders vom Ausbleiben der Lohnzahlungen betroffen sind.

Vor dem Hintergrund eines fortschreitenden Zerfalls der öffentlichen Ordnung, einer zunehmenden Verarmung der Bevölkerung und anhaltenden israelischen Militäraktionen nimmt die Rivalität zwischen Hamas und Fatah immer wieder gewaltsame Formen an. Vor allem im Gazastreifen, aber auch im Westjordanland kam es in den letzten Monaten wiederholt zu Schießereien, Morden und Verschleppungen, unbeeindruckt von Aufrufen der Führungen beider Seiten, die Gewalt zu beenden. Hinzu kommt eine militärische Aufrüstung von Hamas und Fatah, die mit ausländischer Unterstützung erfolgt. Die innerpalästinensische Gewalt schürt die Angst vor einem Bürgerkrieg.

Der Versuch, die Krise durch die Bildung einer von Technokraten dominierten Regierung der nationalen Einheit beizulegen, scheiterte zunächst, weil die Kontrahenten sich nicht auf die Verteilung der Ministerposten einigen konnten. Seither tritt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas für vorgezogene Wahlen ein; wenn auch eine Koalitionsregierung eine Option für ihn bleibt. Hamas lehnt Neuwahlen strikt ab und sieht darin einen Anschlag auf die gewählte Regierung. In der Fatah stehen die längst überfälligen Reformen weiter aus.

Die innerpalästinensischen Auseinandersetzungen und eine wachsende Kluft zwischen Palästinensern und Israel haben zu einem Stillstand von jedweden Gesprächen über Lösungsansätze geführt. Dies erschwert gegenseitige Sicherheitsarrangements und einen glaubwürdigen politischen Prozess als Voraussetzungen für Stabilität. Aus Washington gibt es derzeit keine Anzeichen für neue Impulse. Die US-Regierung ist nach ihrer Niederlage bei den Kongresswahlen im Herbst mit dem Desaster im Irak und innenpolitischen Fragen beschäftigt. Hinzu kommt, dass die israelische Regierung, die geschwächt ist durch den Libanonkrieg und Korruptionsaffären, weiterhin auf ihren Vorbedingungen für einen Dialog mit Hamas besteht, darunter die Anerkennung des Existenzrechts Israels als jüdischer Staat. Der Libanonkrieg im vergangenen Sommer und die Unterstützung von Hamas und Hisbollah durch Syrien und den Iran beeinflussen das Kräfteverhältnis in der Region.

Welches sind die tiefer liegenden Gründe für den Ausbruch der innerpalästinensischen Gewalt? Wie lassen sie sich überwinden?
Wie ist die Politik der USA und der EU seit dem Wahlsieg der Hamas zu bewerten? Ist es an der Zeit für ein Umdenken?
Gibt es Lösungsansätze, die sowohl die innerpalästinensische Krise und den Konflikt mit Israel als auch die regionale Dimension berücksichtigen?