Podiumsdiskussion
- Montag, 28. September 2015 17.00 – 20.30 Uhr In meinem Kalender speichern
Mein Körper - Meine Rechte!
Abtreibungsverbote in Lateinamerika und die Rolle der internationalen Politik
Ein zehnjähriges Mädchen in Paraguay, die neunjährige Belén in Chile oder die schwerkranke Beatriz in El Salvador: Frauen und Mädchen, die nach Vergewaltigungen schwanger wurden, deren Leben in Gefahr oder der Fötus lebensunfähig ist, wird in vielen lateinamerikanischen Ländern eine Abtreibung verboten. Es ist der Kontinent mit den restriktivsten Gesetzen in diesem Bereich. Lediglich in Kuba, Uruguay und Mexiko-Stadt sind Schwangerschaftsabbrüche bis zur 12. Schwangerschaftswoche ohne strenge Einschränkungen möglich, in den anderen Ländern existieren Totalverbote oder nur unzureichende Ausnahmen aus medizinischen Gründen.
Ob konservativ oder progressiv: In der Abtreibungsfrage verzeichnet die Bilanz der unterschiedlichen Regierungen Lateinamerikas kaum Fortschritte, zum Teil sogar dramatische Rückschritte. So wurden in El Salvador und Nicaragua 1997 und 2006 Totalverbote eingeführt, und Schwangerschaftsabbrüche seitdem mit langen Gefängnisstrafen geahndet. Auch der starke Einfluss der katholischen Kirche und evangelikaler Strömungen sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft spielt eine maßgebliche Rolle bei der Beibehaltung bzw. Verschärfung der strengen Gesetzgebung.
Dabei sind reproduktive Rechte international festgeschriebene Menschenrechte: Sie wurden erstmals 1994 explizit im Rahmen der UNO Weltbevölkerungskonferenz in Kairo formuliert und in einem Aktionsplan mit sehr fortschrittlichen Forderungen festgehalten. Regierungshandeln soll Frauen und ihre Rechte stärken, indem sexuelle Gewalt bekämpft, die sexuelle und reproduktive Gesundheit verbessert und reproduktive Rechte verteidigt werden. Die 179 Teilnehmerstaaten setzten sich zwar das Ziel, diese Rechte in ihren Ländern umzusetzen - doch die Realität ist auch heute noch weit von diesem Ziel entfernt: Vor allem die Abtreibungsgesetzgebung ist ein besonders umkämpftes Feld, und weder der Aktionsplan von Kairo noch andere internationale Konventionen enthalten eine Forderung nach der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
In Lateinamerika sind Frauen zudem - trotz Verbesserungen auf institutioneller und rechtlicher Ebene zum Schutz vor Gewalt - de facto immer noch unzureichend vor häuslicher und sexualisierter Gewalt geschützt: Die Opfer werden stigmatisiert, Täter werden nur selten bestraft, und in vielen Ländern sind Abtreibungen selbst nach Vergewaltigungen verboten. Patriarchale Strukturen und machistisch geprägte Gesellschafts- und Rollenbilder tragen entscheidend dazu bei.
Zwei Frauenrechtsaktivistinnen aus Chile und El Salvador analysieren im Gespräch die aktuelle Situation in Lateinamerika vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, politischen und religiösen Grundkoordinaten: Welche (Macht-)Interessen lassen sich hinter den Abtreibungsgesetzen erkennen, warum scheint es so schwer, diese zu reformieren? Welche Rolle spielen die sozialen Bewegungen dabei, das gesellschaftliche Bewusstsein in dieser Frage zu ändern?
In der anschließenden Diskussionsrunde debattieren unsere Gäste aus Lateinamerika mit Vertreter/innen der Bundesregierung und deutscher Nichtregierungsorganisationen die Frage, ob das Wertesystem der Menschenrechte beim Thema der sexuellen und reproduktiven Rechte versagt hat, oder ob diese trotz aller Defizite in der Umsetzung für lokale Aktivist/innen einen wichtigen Standard darstellen, auf den sie sich in ihrer Arbeit berufen können. Neben der Rolle internationaler Abkommen sollen konkrete Handlungsmöglichkeiten für die deutsche und europäische Politik erörtert werden.
Mit:
- Morena Herrera, Vorsitzende der Agrupación Ciudadana por la Despenalización del Aborto, El Salvador
- Carolina Carrera, Vorsitzende der Corporación Humanas, Chile
- Selmin Çalışkan, Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International
- Katrin Erlingsen, Stiftung Weltbevölkerung
- Ines Kappert, Gunda-Werner-Institut, Heinrich-Böll-Stiftung
u.a.
Kooperationspartner/innen: Amnesty International, Ökumenisches Buero für Frieden und Gerechtigkeit e.V. , Inkota Netzwerk e.V.
Information:
Ines Thomssen
Projektbearbeitung Lateinamerika
Heinrich-Böll-Stiftung
E-Mail thomssen@boell.de
Telefon +49(0)285 34 -324
Eine Anmeldung ist nicht notwendig.
Hinweis:
Wir weisen darauf hin, dass im Rahmen dieser Veranstaltung Foto-/Ton- und Filmaufnahmen von TV-Sendern sowie für öffentliche und nicht-öffentliche Zwecke gemacht werden können
- Veranstaltungsreihe
- Lateinamerika gegen den Malestream? Geschlechterdemokratie unter der Lupe
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- Veranstalter*in
- Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin