- Dienstag, 24. April 2012 19.30 – 22.30 Uhr In meinem Kalender speichern
Philosophie im Angesicht der Verzweiflung – Einführung in Adornos negative Moralphilosophie
Veranstaltungsreihe zur Aktualität der Kritischen Theorie
“[…] despite the fact that Adorno did not produce a work of moral philosophy, his oeuvre as a whole is driven by an ethical vision, and hence that in order to do justice to his philosophy it is necessary to disentangle and elaborate the always presupposed ethical contours of his thought.“ (J.M. Bernstein)
Der Stellenwert der Moralphilosophie für Adorno lässt sich nicht
ohne weiteres beantworten, da dieser selbst keine explizite Ethik
ausformuliert hat. Dass Adorno sich den Fragen der Moralphilosophie in
zwei Vorlesungen ausführlich gewidmet hat, lässt aber auf die Bedeutung
moralphilosophischer Fragestellungen schließen. Ausgangspunkt der
moralphilosophischen Reflexionen Adornos ist die grundlegende These der
Dialektik der Aufklärung, dass die Emanzipation vom blinden
Naturkreislauf und damit die Subjektwerdung des Menschen auf einem
Prozess der fortschreitenden Rationalisierung beruht, welcher die
Herrschaft über die innere und äußere Natur des Menschen blind
reproduziert und so dazu beiträgt, Leid hervorzubringen. Es stellt sich
daher die Frage, wie eine Moralphilosophie auszusehen hat, die
angesichts der herrschenden Unfreiheit auf die Herstellung der Autonomie
des Subjekts insistiert und zugleich das Einverständnis mit dem Leiden
aufkündigt.
Adornos negative Moralphilosophie beruft sich, wenn auch kritisch, auf
Kant, indem sie sich den Kantischen Freiheitsbegriff negativ aneignet,
als Freiheit, die notwendig mit Unfreiheit vermittelt ist. Adorno
versucht – ausgehend von der Kantischen Freiheitsantinomie in der Kritik
der reinen Vernunft – nachzuweisen, dass das Identitätsprinzip der
Vernunft Freiheit im emphatischen Sinne verhindert, wobei er
gleichzeitig festhält, dass sich angesichts der herrschenden Unfreiheit
trotzdem ein Begriff von Freiheit – als Voraussetzung von Moralität –
bilden lässt, obwohl dieser Begriff nicht in der empirischen Welt
aufgeht.
„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“ schreibt Adorno in den Minima
Moralia. Andererseits weist seine Forderung, die Erziehung so
auszurichten, „daß Auschwitz nicht sich wiederhole“ darauf hin, dass er
an der Möglichkeit einer das Leiden minimierenden Praxis festhält, auch
wenn diese selbst wiederum Gegenstand von immanenter Kritik ist. Die
negative Moralphilosophie Adornos ist aus diesem Grund eine radikale
Kritik an der Herrschaft, die sich angesichts des Leidens nicht auf
einen theoretischen Standpunkt zurückziehen kann, will sie nicht in
Affirmation des Leidens und der Unfreiheit umschlagen.
- Veranstalter*in
- Landesstiftung Nordrhein-Westfalen