Dienstag, 07. Juni 2011 19.00 – 21.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Serbien und Deutschland: Vergangenheit(en) und Zukunft

70 Jahre nach dem deutschen Überfall auf Jugoslawien

Die (west-) deutschen Nachkriegsbeziehungen zu Jugoslawien sind nicht wirklich als problematisch in Erinnerung. Doch während die deutsche Verantwortung für die Verbrechen des Zweiten Weltkrieges in Warschau und Moskau angemessene Formen des Ausdrucks fand, blieben ähnliche Gesten in Südosteuropa weitgehend aus. Nach „Deutschen Historischen Instituten“, wie sie in Rom, Paris, London, später in Warschau und Moskau Maßstäbe setzten, sucht man in Südosteuropa vergebens. Titos Jugoslawien schuf sich seine Geschichtsschreibung des Zweiten Weltkrieges vorwiegend alleine und erzählte die Geschichte so heldenhaft, wie die multiethnische Föderation Jugoslawien sie brauchte. Die spätere Geschichtspolitik Miloševics schwenkte vom Heldentum zurück auf das Motiv des serbischen Volkes als einem Opfer der Geschichte. Sie „leistete“ damit einen wesentlichen Beitrag zur Katastrophe der 90er Jahre.

Das serbische Volk - ein Opfer der Geschichte?
2011 reden die Ausländer in Belgrad von „den Kriegen“ im Plural und meinen die jüngste Vergangenheit, der Serbien sich stellen und die es aufarbeiten soll. Viele Serben aber sprechen von „dem Krieg“ im Singular und meinen entweder den großen Befreiungskrieg vom Faschismus oder aber das NATO-Bombardement von 1999. Viele empfinden die Forderung nach einer Aufarbeitung der jüngsten Kriegsverbrechen als scheinheilig angesichts des deutschen Schweigens zu den massenhaften Erschießungen von Zivilisten in Serbien während des Zweiten Weltkrieges - und all den serbischen Opfern im kroatischen Ustascha-Staat inklusive Bosnien-Herzegowinas.

Kein Stellvertreterkonflikt
70 Jahre nach dem deutschen Überfall – das sind 12 bis 20 Jahre nach den jugoslawischen Zerfallskriegen. Jener begann, diese endeten mit der Bombardierung Serbiens. Die serbische Gesellschaft streitet über den Krieg vor 70 Jahren mehr und heftiger als über die der letzten Jahrzehnte. Es scheint – seltsam genug – kein Stellvertreterkonflikt im Interesse einer Verdrängung zu sein. Es sieht vielmehr so aus, als könne die serbische Gesellschaft sich über die jüngste Geschichte nicht verständigen, solange sie über die alte Frage noch geteilter Meinung ist.

Ein Wort der historischen Verantwortung von deutscher Seite könnte hilfreich sein. Allein, wer könnte das richtige finden?
Ist von deutscher Seite über die eigenen Verbrechen in Serbien genug gesagt und getan, um heute in offener und legitimierter Weise von Serbien die Aufarbeitung seiner jüngsten Vergangenheit einzufordern?

Podiumsdiskussion mit:
Dr. Vladimir Petrovic, Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen, Belgrad
Petra Bläss-Rafajlovski, Vizepräsidentin a.D. des Deutschen Bundestages, Politikberaterin, Berlin
Dr. Vladimir Ivanovic, Historiker, Belgrad/Berlin


Moderation: Rüdiger Rossig, Journalist