Podiumsdiskussion

Dienstag, 10. Juni 2014 20.00 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Podiumsdiskussion

Taffe Frauen, schockstarre Männer? Streifzüge durch das Buch „Das Ende der Männer“ von Hanna Rosin

Reihe: Das Unbehagen in der Kultur im Spätkapitalismus XIII

Die sozialen Zwänge und Verhaltenszumutungen, die Sigmund Freud einst als "Unbehagen in der Kultur" analysiert hat, wurden von Feministinnen vor allem als Ausdruck männlicher Machtausübung entziffert. Die US-amerikanische Erfolgsautorin Hanna Rosin möchte in einer seit einem Jahr weltweit sehr kontrovers diskutierten Untersuchung zeigen, dass es mit dieser männlichen Herrschaft unaufhaltsam zu Ende geht. Unaufhaltsam, weil der ökonomische Wandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft bewirkt, dass Frauen im Beschäftigungssystem dominant werden - trotz und auch wegen schlechterer Bezahlung.

 

Insbesondere der Zusammenbruch der verarbeitenden Industrien und die Bankenkrise nach der Immobilienkrise sowie die Entlassungen im Angestelltenbereich haben die Lebensentwürfe bis in den Kern der Mittelschichten zerschlagen und die Geschlechterbeziehungen neu aufgemischt. Dies lasse schockstarre Männer (sie nennt sie Pappkarton-Helden) zurück. Es sind die Frauen, die die Scherben auflesen, die Kinder verlässlich begleiten und mit der Wucht lange unterdrückter Power in neue Jobs strömen, wenn nötig sogar gleich in drei. Als Preis dieses Erfolgs werden Frauen zu Pionierinnen einer erneuerten protestantischen Arbeitsmoral.

 

Um die Männer und ihre Krisen muss man sich nun vor allem große Sorgen machen. Die britische Kulturwissenschaftlerin Angela McRobbie bewertet diese Entwicklung als eine subtile Abwicklung des Feminismus – kein Grund für Hurra!rufe. Was ist dran an Rosins These und ihrer Kritik? Handelt es sich um eine triftige Analyse, oder doch eher um Veränderungen in einem bestimmten gesellschaftlichen Milieu, das Hanna Rosin gut kennt? Das Buch wird vorgestellt, ebenso wie anregende Kritiken, die in der sehr umfänglichen Debatte formuliert wurden.

 

Vortrag und Diskussion mit Dr. Wolfgang Lenk
 

Die Veranstaltung ist kostenfrei.
Eine Anmeldung ist nicht nötig.
Infos im Bildungswerk: Birgit Guth, guth@bildungswerk-boell.de
 

Die Veranstaltung wird realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin.

 

Allgemeine Hinweise zur Reihe: "Das Unbehagen in der Kultur des Spätkapitalismus":
 

Sigmund Freud analysierte in seinem Klassiker "Das Unbehagen in der Kultur" einen anthropologischen Konflikt zwischen den menschlichen Triebstrukturen und den Verhaltenszumutungen gesellschaftlicher Ordnungen. Sein berühmtes Buch, 1930 erschienen, war auch ein Dokument der genauen Beobachtung seiner Zeit. Im damaligen Europa zeichneten sich deutlich die Gefahren von Krieg, weiteren Diktaturen und autoritär sozialisierten, unterwerfungsbereiten Massen ab.

Aus drei Quellen des Leidens drohen dem menschlichen Lustprinzip durch die jeweilige Kultur (im weiteren Sinne von Zivilisation und Herrschaft) Einschränkungen nach Freud: 1. aus dem eigenen Körper, der von Alterung und Krankheiten geschwächt wird, 2. aus den gesellschaftlichen Machtverhältissen, insbesondere Ökonomie, Politik und Krieg, 3. aus den Beziehungen zu anderen Menschen (im weiteren Sinne von Privatheit und Vergemeinschaftung).

Ohne Frage haben die von Freud theoretisch entwickelten Spannungen zwischen menschlichem Begehren, Selbstbildern und sozialen Ordnungen heute eine veränderte historische Gestalt angenommen - und sie werden in den heutigen philosophischen und humanwissenschaftlichen Diskursen auch mit sehr unterschiedlichen Theorieansätzen beschrieben. Die gegenwärtige kulturelle Symptomatologie des Spätkapitalismus bietet eine Menge Rohstoff für die drei Freudschen Quellen des Unbehagens in unserer Zeit. Machtsysteme und Medienkulturen erzeugen fortlaufend neue Bilder und Konzepte des Körpers, der Gesellschaft und des privaten Lebens.

Die Vortragsreihe geht von Freuds Erkenntnismotiv aus (woher speist sich das Unbehagen in der Kultur?), stellt aber neue Bücher mit klugen und relevanten Analysen der Jetztzeit vor. Sie greift das gewachsene Aufklärungsinteresse, das in der Gesellschaft existiert, auf. So geht es bei der Veranstaltung im Kern um die Vermittlung von solidem Wissen über bedeutende Diagnosen unserer Zeit in der Form von einführenden und verständlichen Vorträgen mit anschließender Diskussion.

Veranstalter*in
Landesstiftung Berlin (Bildungswerk)
Teilnahmegebühren
kostenfrei