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Bildungsreise

Mittwoch, 27. Januar 2021 10.00 – 22.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Bildungsreise

Jahrestag der Befreiung von Auschwitz

Hörspaziergang in Erinnerung an Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann rund ums Festspielhaus Hellerau

Am 27. Januar 1945 wurde das Vernichtungslager Auschwitz durch die Rote Armee befreit. Wir wollen mit einer Einladung zu einem Hörspaziergang der Ermordeten und der Überlebenden aller Verfolgtengruppen erinnern.

Im Mittelpunkt des Spaziergangs steht der ermordete Sinto  Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann . Wir laden ein, das Denkmal für Johann Wilhelm Trollmann, auch bekannt unter dem Namen Skulptur „9481“ zu besuchen. Es wurde von der Künstlergruppe BEWEGUNG NURR 2012 in Hellerau aufgestellt, um an den ermordeten Boxer Johann Wilhelm „Rukeli“ Trollmann und sein Schicksal zu erinnern.

Als Podcast zum Spazieren empfiehlt Radio RomaRespekt: Die Geschichte von Rukeli Trollmann und was danach geschah, Kontinuitäten

Ort: Dresden || Festspielhaus Hellerau || Skulptur "9841"

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Ein Dresdner Sportverein, das Sprit of Bayon-Gym, übernimmt nun eine Patenschaft für das Denkmal und will künftig die Erinnerung an Trollmann stärken. Wir haben mit Eric und Kevin vom Spirit of Bayon-Gym gesprochen, um mehr über Trollmann, sein Leben und die Pläne des Gyms zu erfahren.


Rukeli Trollmann pflegte einen einzigartigen und erfolgreichen Boxstil. Was hat ihn dabei aus sportlicher Sicht ausgezeichnet? Und wieso wurde ihm seine Art zu Kämpfen zum Verhängnis?

Eric: Rukeli Trollmann war vor allem eins: ein begnadeter Techniker. Vor allem im Mittelgewicht kämpfend, zeichnete sich sein Kampfstil gerade durch seine Schnelligkeit aus. Dadurch konnte er seinen eigenen Stil entwickeln: schnell auf den Beinen, durch den Ring tänzelnd, elegant den Gegnern ausweichend. Damit machte er seine Gegner müde und mürbe und konnte dann mit einem extrem harten Punch zuschlagen. Mit diesem Stil war Rukeli Trollmann seiner Zeit weit voraus. Manche behaupten gar, dass er schon in den 1920er so wie später Muhammad Ali geboxt hätte.

Kevin: Trotz seiner Erfolge und seines einzigartigen Boxstils war Johann Wilhelm Trollmann als Sinto Anfeindungen, Diffamierungen und Ausgrenzung ausgesetzt. So bei der Nichtnominierung für die Olympischen Spiele, aber auch darüber hinaus. Von der Sportpresse „Gipsy“ getauft, wurde er oft als „tanzender Zigeuner“, der „undeutsch“ boxe, bezeichnet. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschärfte sich die Situation für den Sinto-Boxer noch einmal. Zwar bot sich für Rukeli Trollmann 1933 die Möglichkeit, um die Deutsche Meisterschaft zu kämpfen, da die Nationalsozialisten den amtierenden Meister und Dominator, den Juden Erich Seelig, bedroht und verjagt hatten, doch der Kampf sollte unter nationalsozialistischen Vorzeichen stattfinden.

Eric: Denn Adolf Hitler hatte schon in „Mein Kampf“ den Boxsport als „arische“ Sportart auserkoren. Der Boxsport hieß nun auch „Faustkampf“ und die Boxclubs „arisierten“ sich. Da aber Rukeli Trollmann zu bekannt und beliebt war, konnten die Nationalsozialisten ihn nicht einfach aus dem Sport verdrängen. Am 9. Juni 1933 fand der Kampf um die Deutsche Meisterschaft zwischen Rukeli Trollmann und Adolf Witt statt. Adolf Witt hatte keine Chance gegen den taktisch überlegenen Johann Wilhelm Trollmann. Damit wurde ganz klar an der idiotischen Vorstellung von der „arischen“ Überlegenheit gerüttelt, weshalb der Vorsitzende des Verbandes „Deutscher Faustkämpfer“ Radamm eingriff und darauf wirkte, dass der Kampf Remis gewertet wurde. Nach dieser Manipulation kam es zu Tumulten im Publikum und der Sieg und Titel wurden doch Rukeli Trollmann zugesprochen. Dies war ein sehr emotionaler Moment für den Boxer und er konnte seine Tränen nicht verbergen. Diesen Moment nutzten die Verantwortlichen aus, um ihn Wochen später den Titel wegen „armseligen Verhaltens“ wieder zu entziehen.

Kevin: Erst 2003 hat der Bund Deutscher Berufsboxer (BDB) nach massivem Druck Johann Wilhelm Trollmann den Deutschen Meistertitel nachträglich wieder zuerkannt. Und diese Posse um die Deutsche Meisterschaft 1933 sollte noch ein weiteres Kapitel schreiben. Drei Wochen nach dem von Eric beschriebenen Trauerspiel, inszenierte Rukeli Trollmann ein bis dato einzigartiges Spektakel.

Eric: Genau. Rukeli Trollmann hatte einen weiteren Kampf, in dem er auf seine Situation aufmerksam machen wollte. Er hatte sich mit Mehl das Gesicht aufgehellt und sich die Haare gebleicht, um wie ein vermeintlicher „Arier“ auszusehen. Ihm wurden bereits im Vorfeld viele Auflagen gemacht, damit sich das Ergebnis vom Titelkampf nicht wiederhole. Aufgrund dessen und aus Protest verzichtete er bei dem Kampf gegen Gustav Eder auch auf seine berühmte Beinarbeit und lies sich so lange verprügeln, bis er bewusstlos zu Boden ging. Mit der Aktion hatte er seine Peiniger öffentlich bloßgestellt. In der Folge kam es zu seinem Lizenzentzug und dem Ende seiner Boxkarriere.

1933 endete Trollmanns Karriere unter dem Einfluss der nationalsozialistischen Sportfunktionäre. Die NSDAP baute ihre Macht weiter aus, später folgten die Nürnberger Rassegesetze, mit dem Überfall auf Polen der Auftakt zum Zweiten Weltkrieg. Wie erging es Trollmann, der sich dagegen aufgelehnt hatte?

Kevin: Wie bei der letzten Frage schon erwähnt, hat Rukeli Trollmann bei seinem letzten Kampf, der einer Farce glich, gezeigt, was er von den rassistischen Einstellungen und der vermeintlichen „arischen“ Überlegenheit der Nationalsozialisten hielt. Nach seinem erzwungenen Karriereende fand der ehemalige Boxer zunächst zumindest privat sein Glück. 1935 wurde er Vater und heiratete Olga Frieda Bielda. Doch leider zeigte noch im selben Jahr das nationalsozialistische Regime sein antiromaistisches Gesicht: Ein Amtsgericht bestätigte die „Diagnose“ von „angeborenem Schwachsinn“ – mit der Folge, dass er (wahrscheinlich) kurz vor Weihnachten 1935 zwangsterilisiert wurde.

Eric: Ja, und trotz der Geschichte um das Ende seiner Karriere und Zwangssterilisation wurde er 1939 zum Kriegsdienst eingezogen – als Kanonenfutter. Im Zuge einer rassistischen Verordnung, die Sinto für wehrunfähig erklärte, wurde Rukeli Trollmann aus dem Militärdienst entlassen. 1942 verhaftete ihn die Gestapo und im September wurde er ins Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg gebracht. Viele erkannten den ehemaligen Boxer wieder. Er musste die SS-Männer im Boxsport unterrichten und zur Belustigung der Wachmannschaft Boxkämpfe bestreiten. Im März 1944 endete das Leben von Johann Wilhelm Trollmann in eben jenem KZ. Die genauen Umstände seines Todes sind nicht bekannt, aber wahrscheinlich wurde er nach einem Boxkampf im KZ totgeschlagen. Der Kapo Emil Cornelius boxte gegen Rukeli Trollmann, verlor und erschlug den Sinto hinterrücks.

Auszug, hier das ganze Interview addn.me

Mehr Informationen zum Boxring in Hellerau findet Ihr in diesem Text von Frauke Wetzel

Die T-Shirts mit Rukeli Trollmann können bestellt werden, hier ist der Link:

https://www.facebook.com/Khmer.Boxing.Dresden/posts/2920176521588622

 

Adresse
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Veranstalter/in
Landesstiftung Sachsen (Weiterdenken)