- Freitag, 03. November 2006 – Samstag, 04. November 2006 In meinem Kalender speichern
Tagung: Die halbierte Emanzipation? Fundamentalismus und Geschlecht
Die wachsende Bedeutung
fundamentalistischer Überzeugungen in
vielen Religionen und Regionen der Welt ist
Teil der religiösen Renaissance in den
letzten Jahrzehnten. Dabei sind die
Retraditionalisierung der
Geschlechterrollen wie der Sexualmoral und
die Wertschätzung der patriarchalen Familie
als Grundbaustein der Gesellschaft ein
durchgehendes Kennzeichen aller
religiös-fundamentalistischer Strömungen.
Zugleich finden sich paradoxe Phänomene in
diesem Zusammenhang:<br>
<br>
- Neben ihrer göttlich legitimierten
Festlegung auf die primäre Aufgabe als
Ehefrau und Mutter nehmen Frauen ebenso wie
Männer aktive und öffentliche Rollen in den
fundamentalistischen Bewegungen ein.<br>
- Innerhalb der fundamentalistischen
Gruppen sind es nicht nur Männer, sondern
auch Frauen, die patriarchale Moral und
Genderkonstruktion offensiv vertreten.<br>
- Obwohl ihre wesentliche Rolle auf
häusliche Aufgaben beschränkt wird und sie
genötigt sind, ihre Körperlichkeit zu
verhüllen, begreifen zahlreiche Frauen
fundamentalistische Überzeugungen als ihren
Weg der Emanzipation und nehmen die sich in
modernisierenden Gesellschaften bietenden
Bildungschancen wahr.<br>
- Trotz des patriarchalen
Geschlechterverhältnisses entwickeln sich
teils auch spezifische Modelle einer
Partnerschaft zwischen Frauen und Männern.<br>
- Patriarchale Ordnungsprinzipien in
fundamentalistischen Bewegungen reduzieren
zwar Frauen und Männer auf ihre
herkömmlichen traditionellen
Geschlechterrollen, sie idealisieren aber
zugleich Frauen als Mütter und Ehefrauen,
während männliche Gewalt- und
Dominanzimpulse einer strengen moralischen
Kontrolle und Sanktion unterworfen werden.<br>
<br>
Diese Paradoxien verweisen darauf, dass
Fundamentalismen nicht einfach Rückgriffe
auf traditionelle Lebensweisen darstellen,
sondern spezifische und in sich durchaus
spannungsreiche Reaktionsweisen auf die
Erfahrungen eines dramatischen
gesellschaftlichen Wandels sind. Aus einer
westlich-liberal oder feministisch
geprägten Perspektive erscheint die
fundamentalistische Moral befremdlich, mit
der sich Männer und auch Frauen
unterschiedlicher religiöser Herkunft
identifizieren. Die Notwendigkeit aber,
sich damit auseinander zu setzen und das,
was uns befremdlich scheint auch zu
verstehen, um schließlich nebeneinander und
miteinander leben zu lernen, ist
unausweichlich. Aus unterschiedlichen
Perspektiven reflektieren die Vorträge der
Tagung den Zusammenhang von Geschlecht,
Religion, Politik in verschiedenen
kulturellen Kontexten. Angesichts der
politischen Brisanz des Themas bietet die
Tagung Möglichkeiten zur Information, zum
wissenschaftlich-theoretischen Verständnis
der Phänomene, zur Auseinandersetzung und
zum Dialog.<br>
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<b>ReferentInnen</b>:<br>
Dr. Sabine Damir-Geilsdorf (Gießen)<br>
Dr. Dr. h.c. Gret Haller (Bern)<br>
Dr. Susanna Keval-Krohmann (Frankfurt a.M.)<br>
Prof. Dr. Grit Klinkhammer (Bremen)<br>
Prof. Dr. Katharina Liebsch (Frankfurt
a.M.)<br>
Prof. Dr. Ulrike Prokop (Marburg)<br>
Prof. Dr. Elisabeth Rohr (Marburg)<br>
Prof. Dr. Ulrike Wagner-Rau (Marburg)<br>
Prof. Dr. Monika Wohlrab-Sahr (Leipzig)<br>
Tagungsprogramm (PDF)