Diskussionsreihe
- Donnerstag, 07. Juni 2018 19.00 – 21.00 Uhr In meinem Kalender speichern
Tunesien: Zwischen Modell der Moderne und Protest
Reihe: Von "Pulverfässern" und "Glaubenskriegen" - Berichterstattung zu Westasien und Nordafrika
Die Reihe:
"Pulverfass; Sultan; Glaubenskrieg" - diese kleine Auswahl an Begriffen steht symptomatisch für die häufig verkürzte und teils verfälschende deutsche Berichterstattung zu Ereignissen in den Ländern Westasiens und Nordafrikas. Die Darstellungen reproduzieren in vielen Fällen historisch diskursiv gewachsene Bilder, die von einer dichotomischen Darstellung Europas einerseits und dem sogenannten Orient andererseits leben. Bis heute ist es z.B. die Ausnahme, dass sich Korrespondent*innen in der/den lokalen Sprache/n verständigen können und Menschen von vor Ort eine faire Chance geben, Themenschwerpunkte selber zu setzen und sich jenseits europäischer Vorstellungen zu (re)präsentieren.
Anhand dreier Fallbeispiele sollen Berichterstattung und mediale Darstellungen analysiert werden. Wir wollen diskursive Techniken und Politiken hinterfragen, Bilder brechen und Veränderungsmöglichkeiten diskutieren.
Der Vortrag:
Zum Auftakt der Reihe wird Anna Antonakis über emanzipatorische Protestbewegungen in Tunesien und deren Repräsentation in deutschen Öffentlichkeiten referieren. Tunesien gilt als erstes Land der Arabischen Aufstände von 2010/2011, welche in den Medien rasch als Facebook Revolution geframed wurden, in der junge Menschen mittels neuer Technologien für Freiheit kämpften. Seither gilt der politische Prozess als Vorbild. Der Vortrag diskutiert insbesondere, wie dabei auch Geschlechterpolitiken das "moderne" Bild des Landes in der medialen Darstellung machtvoll präg(t)en. Den Fokus auf Technologien und identitätspolitische Themen verdrängen allerdings schnell Forderungen nach "Arbeit, Freiheit und Würde", welche 2011 auch in anderen Bewegungen global gespiegelt wurden. In diesem Kontext sollen aktuelle Frauenproteste von 2017 aus dem Inneren Tunesiens, die sich gegen verschiedene Unterdrückungsstrukturen gleichzeitig richten und bisher nur wenig Öffentlichkeit herstellen konnten, vorgestellt werden.
Die Referentin:
Dr. Anna Antonakis ist freiberufliche Politikwissenschaftlerin im Bereich Gender Studies, (digitale) Medien und Sicherheit(en). Ihre Forschungsinteressen an translokalen Mobilisierungen on- und offline und Widerstandsformen in verschiedenen Öffentlichkeiten sind eng an den historischen Moment der revolutionären Aufstände in Tunesien 2010/2011 geknüpft, die sie seit der Anfangsphase begleitete. Von 2013 bis 2016 war sie als Böll-Stipendiatin Doktorandenfellow in dem Projekt "Elitenwandel und Neue Soziale Mobilisierungen in der Arabischen Welt" an der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie wurde 2017 mit ihrer Arbeit zur Neuaushandlung von Geschlecht in verschiedenen Dimensionen von Öffentlichkeit im post-revolutionären Tunesien am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin promoviert.
Kooperationsveranstaltung mit Alsharq e.V.
Diese Veranstaltung wird realisiert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin
- Veranstalter*in
- Landesstiftung Berlin (Bildungswerk)
- Sprache
- Deutsch