Mittwoch, 10. November 2010 19.30 – 21.00 Uhr In meinem Kalender speichern

Universelle Justiz vs. nationale Straflosigkeit?

Podiumsdiskussion


Mit Balthasar Garzón, Untersuchungsrichter an der Audiencia Nacional in Madrid und Berater des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs, diskutiert Tom Koenigs, MdB Bündnis90/Die Grünen, Vorsitzender des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

Seit der international renommierte Untersuchungsrichter und Menschenrechtsverteidiger Balthasar Garzón 1998 die Festnahme des chilenischen Ex-Diktators Augusto Pinochet in London veranlasste, wird das Konzept der universellen Justiz weltweit auch praktisch diskutiert. Nach dem dort angewandten Universalitätsprinzip sind nationale Strafgerichte für internationale Verbrechen wie Völkermord, Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuständig - auch wenn das Verbrechen außerhalb des Staates begangen wurde, in dem sich das Gericht befindet und selbst wenn weder der Angeklagte noch das Opfer Angehörige dieses Staates sind.

Für eine wirksame universelle Justiz ist das Engagement von Nationalstaaten entscheidend. Schließlich verfolgt der Internationale Strafgerichtshof nur  Verbrechen, die nach 2002 stattgefunden haben und wird nur dann tätig, wenn die Straftat in einem Mitgliedsstaat begangen wird oder der Täter die Nationalität eines Mitgliedsstaates hat. Wenn also nicht auch Nationalstaaten sämtliche geeignete Mittel nutzen, um Täter von Menschenrechtsverbrechen vor Gericht zu bringen, existieren weltweit „Grauzonen der Straffreiheit

Doch wie ernst nehmen Staaten das Weltrechtsprinzip wirklich? Balthasar Garzón wurde jüngst in Spanien angeklagt, weil er dieselben Rechtsprinzipien im eigenen Land anwenden wollte, die er erfolgreich zur Verfolgung von Menschenrechtsverbrechen in anderen Staaten wie Chile oder Argentinien herangezogen hat. Ihm droht ein zwanzigjähriges Berufsverbot, weil er bei Untersuchungen von Verbrechen während des spanischen Bürgerkrieges und der Franco-Diktatur gegen das spanische Amnestiegesetz von 1977 verstoßen haben soll.

Wie geht man mit nationalen Versöhnungsprozessen wie dem spanischen „Pakt des Schweigens“ um und wie steht es mit der Rechtswirkung von Amnestiegesetzen? Wie kann die politische Durchsetzbarkeit der universellen Justiz verbessert und der Gefahr einer Politisierung dieses Konzeptes begegnet werden? Brauchen wir eine weitgehende Angleichung der nationalen und internationalen Straftatbestände für Völkerrechtsverbrechen und kann die EU hier eine internationale Vorreiterrolle übernehmen?