Vortrag

Donnerstag, 27. April 2023 19.00 – 21.30 Uhr In meinem Kalender speichern

Vortrag

Theatrale Formen politischen Widerstands

Rahmenprogramm Jala Wahid | Mock Kings

Vortrag von und Gespräch mit Hawre Zangana

 

In welchen Formen kann sich Protest artikulieren? Können Performance, Tanz und Theater als Mittel der politischen Teilhabe produktiv gemacht werden und so als affektive, kritische und politische Praxis verstanden werden? Der Vortrag von Theaterwissenschaftler Hawre Zangana erforscht diese Fragen ausgehend von der kurdischen, karnevalesken Performance Mîrmîran, die früher während des kurdischen Neujahrs- und Frühlingsfestes Newroz aufgeführt wurde und auch einen der Ausgangspunkte für Jala Wahids Einzelausstellung Mock Kings (01.04.–14.05.2023) darstellt.

Im Zentrum des Vortrags steht der Moment, in dem theatrale Aufführung und politische Aktion miteinander verschmelzen und nicht mehr klar voneinander abzugrenzen sind. Welche Strategien und Methoden wurden/werden im kurdischen Theater angewendet und welche Formen konnten/können tatsächlich Kritik an autoritären Regimen ausüben, in alltägliche und routinierte Abläufe eingreifen und den politischen Status Quo umkehren und parodieren? Neben Mîrmîran, einer Performance, die im Jahr 1922 durch die britische Besatzungsmacht in Kurdistan verboten wurde, sollen außerdem das Theater während der Diktatur Saddam Husseins sowie die aktuellen gesellschaftspolitischen Bedingungen der Konzeption und Durchführung von Theater in Kurdistan, die sich grundlegend von jenen in Europa unterscheiden, Erwähnung finden. Dabei soll auch die Rolle des Theaters als Praxis des Erhalts bzw. der Findung kurdischer Identität und als Ort kollektiver Trauer und Freude sowie die unterschiedlichen Formen in unterschiedlichen Teilen Kurdistans diskutiert werden.

Dr. phil. Hawre Zangana lebt und arbeitet in Kurdistan und Deutschland und ist als Schriftsteller, Theaterwissenschaftler und -regisseur sowie Traumatherapeut tätig. 2002 publizierte er das Buch Theater als Form des Widerstands in Kurdistan. 2017 promovierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit seiner Arbeit Theater als therapeutische Erinnerungsarbeit. Zangana arbeitete als Kulturübersetzer bei der Stadt München, initiierte, organisierte und führte Regie bei Theaterprojekten mit Jugendlichen und Erwachsenen, davon zahlreiche in den Bereichen Interkultur und Integration, wie z.B. Die Geschichte einer Rahmentrommel (2001), Amanat (2007) und Lieder der anderen Mütter (2008).

 


Wie kann Geschichte erzählt und bewahrt werden, wenn sich diese per se der westlichen Idee von Nationalstaatlichkeit entzieht? Innerhalb sich widerspre­ chender kurdischer undwestlicher Erzähl- und Sichtweisen erforscht Jala Wa­ hid die fortbestehendenAuswirkungen langjähriger kolonialer Besetzung sowie des britischen und US-amerikanischen Imperialismus auf Kunstpraktiken von Kurd*innen und Archäologie.

Die kurdische Performance M1rm1ran sowie Artefakte aus dem früheren Meso­ potamien dienen Wahid als Ausgangspunkt, um Gegenentwürfe zu westlichen Geschichtsnarrativenzu entwickeln und dabei über theatrale und performative Formen der politischen Subversion nachzudenken. Mithilfe welcher Medien können koloniale Machtverhältnissenicht nur kritisiert und verspottet, sondern verzerrt, umgestülpt und temporär außer Kraftgesetzt werden? Welche Potenti­ ale bieten karnevaleske Ästhetiken, Spiel und Tanz,Parodie und Humor? Und was passiert, wenn politische und theatrale Aktion nicht mehr klar voneinander abzugrenzen sind?

Im Kontext politischer, geografischer und sprachlicher Zersplitterung sowie un­ geklärter Fragen nachZugehörigkeit und Beständigkeit nimmt sich Wahid den Widersprüchen, der Diffusität und Komplexität diasporischer Realität an und entwickelt andere Techniken des Erinnerns und Bewahrens, die transformativ undspielerisch sein können, von Widerstandskraft und Selbstverortung zeugen.

Mock Kings ist Wahids erste institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. 

 

Jala Wahid (*1988} lebt und arbeitet in London, GB.


Einzelausstellungen (Auswahl}:

Conflagration, BALTIC Center for Contemporary Art, Gateshead, GB, 2022; AFTERMATH,Niru Ratnam, London, GB, 2022; Rock Fortress, CAS Batumi, Ba­ tumi, GE, 2021; Cry Me AWaterfall, Two Queens, Leicester, GB, 2021; Rock For­ tress, E.A. Shared Space, Tbilisi, GE, 2020; Newroz, SOPHIE TAPPEINER, Wien, AT, 2019.

Gruppenausstellungen (Auswahl):

Testament, Goldsmiths CCA, London, GB, 2022; Reconfigured, Timothy Taylor Gallery, New York, US, 2021; Searching the Sky for Rain, SculptureCenter, New York, US, 2020; Being Towards The World, SOPHIE TAPPEINER, Wien, AT, 2019; Still/ Rise: Feminisms, Gender,Resistance, Acts 1, 2, and 3, Nottingham Con­ temporary, Nottingham, GB, 2018.


Öffnungszeiten

Mi-Fr, 15-19 Uhr, Sa-So, 12-18 Uhr, 7.4., 9.4. geöffnet

Kunstverein Freiburg | Dreisamstraße 21 | 79098 Freiburg

Adresse
▶ Siehe Veranstaltungsbeschreibung
Veranstalter/in
Heinrich Böll Stiftung Baden-Württemberg
Sprache
Deutsch
Teilnahmegebühren
kostenfrei, keine Anmeldung erforderlich.