Dino in the Room. Urheber/in: Heinrich-Böll-Stiftung. Creative Commons License LogoDieses Bild steht unter einer Creative Commons License.

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Mittwoch, 15. Mai 2024 09.30 – 18.00 Uhr In meinem Kalender speichern

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Dino in the Room

Zivilgesellschaftlicher Dialog zur deutschen Kolonialgeschichte in Tansania

» Zum Programm» Parallele Spotlights im Programm

Im November 2023 hielt der Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, dessen Romane die deutsche Kolonialherrschaft in Tansania thematisieren, die Marbacher Schillerrede. In seinem Vortrag warf er der deutschen Gesellschaft das Fehlen jeglicher Erinnerung an ihre Kolonialgeschichte in Ostafrika vor. Ganz anders in Tansania. Dort sei das Trauma der „unerbittlichen Grausamkeit“ deutscher Herrschaft durch mündliche Überlieferung und offizielle Geschichtsschreibung von Generation zu Generation weitergereicht worden. Ebenfalls im November 2023 besuchte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Tansania. Am Erinnerungsort zum Majimaji-Krieg in Songea bat Steinmeier um Verzeihung für deutsche Kolonialverbrechen und öffnete so von deutscher Seite aus die Tür für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der verflochtenen Geschichte der beiden Länder.

Mit dem Dialogforum „Dino in the Room“ am 14. und 15. Mai 2024 bietet die Heinrich-Böll-Stiftung einen Raum für zivilgesellschaftliche Stimmen aus Tansania und Deutschland im Kontext einer solchen Erinnerungsarbeit. Aus der wechselseitigen Wahrnehmung der anderen Erfahrungen, aus der Anerkennung von Schuld und Traumata seitens der deutschen Täter*innengesellschaft, könnte – das ist die Hoffnung – eine breit getragene, neue Ethik der Beziehungen hervorgehen.

Der Titel des Dialogforums dient als Metapher für das von Gurnah beschriebene Vergessen und Verdrängen der deutschen Kolonialgeschichte in Ostafrika und bezieht sich auf den „Dino“ im Berliner Naturkundemuseum. Das Skelett des Giraffatitan brancai empfängt die Besucher*innen als prominentestes Ausstellungsstück. Aber kaum jemand weiß etwas darüber, wie es während der Kolonialzeit aus Tansania nach Deutschland kam.


14. Mai 2024 / 19 Uhr / Filmvorführung, Delphi Filmpalast
Deutschlandpremiere „Das leere Grab/ The empty grave, Deutschland Tansania 2024, (Swahili, Deutsch, Englisch mit englischen Untertiteln), 97 Minuten

Mit anschließendem Q&A mit den Regisseurinnen Cece Mlay und Agnes Lisa Wegner und den Protagonisten John Mbano und Felix Kaaya.


Programm 15. Mai 2024

9.30 Uhr
Begrüßung: Prof. Dr. Imme Scholz, Vorstand Heinrich-Böll-Stiftung e.V.

9.45 – 11.15 Uhr
Listen & Learn: Erinnerungen an den deutschen Kolonialismus in Tansania
Das Eingangspanel behandelt die heutige Erinnerungsarbeit zur deutschen Kolonialherrschaft in Tansania aus unterschiedlichen Perspektiven. Es thematisiert die Aufarbeitung der deutschen Kolonialverbrechen und des antikolonialen Widerstands durch lokale Gemeinschaften, Städte, Regionen und auf nationaler Ebene. Dabei werden Beiträge von Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Kunst und Kultur zur Auseinandersetzung mit der kolonialen Gewaltgeschichte und ihren Folgen bis in die Gegenwart beleuchtet.

Mit

  • Prof. Dr. Nancy Rushohora, Department of Archaeology and Heritage Studies, University of Dar es Salaam
  • Prof. Dr. Vicensia Shule, Tourism Innovation Hub (TIHub)
  • Prof. Dr. Reginald Kirey, Department of History, University of Dar es Salaam
  • Bernard Laurian Nthahondi, Dar es Salaam Centre for Architectural Heritage

Kommentierung: Kristina Mashimi, Institut für Sozial- und Kulturanthropologie, Freie Universität  Berlin

Moderation: Prof. Dr. Valence Silayo, Department of Archaeology and Heritage Studies, University of Dar es Salaam

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11.15 – 11.45 Uhr    Kaffeepause
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11.45 – 13.15 Uhr    Parallele Spotlights

Spotlight I: Verklärte (T)räume. Natur und koloniale Unterwerfung
Naturschutz war in Deutsch-Ostafrika ein integraler Bestandteil des kolonialen Projekts der Ausbeutung und Unterdrückung. Die Bewahrung von Fauna und Flora in ausgewiesenen Gebieten als "Wildnis" diente der Herrschaftssicherung und europäischen Jagdinteressen und war eng verbunden mit Landnahme, Vertreibung sowie Zerstörung traditioneller Wirtschaftsformen. Diese gewaltsamen Eingriffe prägen Landschaftsräume Tansanias bis heute und haben massiven Einfluss auf den Tourismus, die Entwicklungszusammenarbeit und private Naturschutzinitiativen.

Mit

  • Jimson Sanga, Fahari Yetu / Iringa University
  • Dr. Laibor Kalanga Moko, Institut für Sozial-und Kulturanthropolgie, Freie Universität  Berlin
  • Dr. Bernhard Gißibl, Leibniz-Institut für Europäische Geschichte
  • Linda Poppe, Survival International

Moderation: Joachim Paul, Heinrich-Böll-Stiftung, Nairobi

Spotlight II: Mission postkolonial. Historische Verantwortung heute
Christliche Missionsgesellschaften spielten eine wichtige Rolle während der deutschen Kolonialherrschaft in Ostafrika. Die heute Verantwortlichen ringen um glaubwürdige Positionen zu ihrer historischen Verantwortung und setzen sich in vielen Fällen für dekoloniale Beziehungen zu Partnerkirchen ein, die aus der Missionsarbeit hervorgegangen sind. Auch in ihrer Bildungsarbeit bemühen sich deutsche Missionswerke um eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Kolonialgeschichte und um die Überwindung des Rassismus in der eigenen Gesellschaft.

Mit

  • Belinda-Maria Peters, Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES), Ruhr-Universität
  • Prof. Dr. Valence Silayo, Department of Archaeology and Heritage Studies, University of Dar es Salaam
  • Prof. Dr. Jeremy Best, Autor "Heavenly Fatherland", Iowa State University
  • Dr. Martin Frank, Berliner Missionswerk

Moderation: Dr. Thomas Fues, Wirtschaftswissenschaftler und Politologe

Spotlight III: Re-Writing History. Schulbücher unter der Lupe
Die Darstellung der deutschen Kolonialgeschichte in deutschen und tansanischen Curricula, Schulbüchern und Lehrmaterialien weicht stark voneinander ab. Auf deutscher Seite fällt vor allem die lückenhafte Behandlung des Themas auf. Wie ließe sich langfristig das Ziel erreichen, die Thematik in Schulbüchern so zu bearbeiten, dass die herkömmliche, von einseitigen Geschichtsbildern und Vorurteilen dominierte Sichtweise korrigiert würde?

Mit

  • Prof. Dr. Nancy Rushohora, Department of Archaeology and Heritage Studies, University of Dar es Salaam
  • Amani Abeid, Künstler, Dar es Salaam  
  • Dr. Marcus Otto, Wissen im Umbruch, Georg-Eckert-Institut

Moderation: Maria Kind, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
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13.15 – 14.30 Uhr Mittagspause
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14.30 – 16.00 Uhr
Closing the Gap(s). Überwindung der Wissenslücken

Die gemeinsame Wissensproduktion zur Aufarbeitung der verflochtenen Geschichte von Tansania und Deutschland steht noch am Anfang. Einen Schritt in diese Richtung unternehmen derzeit die Stiftung Humboldt Forum, Stiftung Preußischer Kulturbesitz und das National Museum of Tanzania in ihrer Zusammenarbeit bei den Vorbereitungen einer Ausstellung über die ehemalige deutsche Kolonie. Diese Ausstellung soll im Herbst 2024 in Berlin eröffnet werden und ein Jahr später nach Tansania reisen. In diesem wie in anderen Projekten geht es auch darum, das tansanische Kulturerbe in Deutschland systematisch zu erfassen und zu erforschen. Ein ähnliches Vorhaben ist in einer Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kamerun kürzlich gelungen. Ein Modell?

Mit

  • Flower Manase, National Museum of Tanzania
  • Wilson Jilala, Forensic Anthropology Section, National Museum of Tanzania
  • Dr. Ina Heumann, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, Museum für Naturkunde Berlin
  • Prof. Dr. Carola Lentz, Seniorforschungsprofessorin am Institut für Ethnologie und Afrikastudien an der Johannes Gutenberg-Universität, Mainz

Moderation: Prof. Dr. Vicensia Shule, Tourism Innovation Hub (TIHub)

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16.00-16.30 Uhr Kaffeepause
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16.30 – 18.00 Uhr
Erinnern für Gegenwart und Zukunft. Eine neue Beziehungsethik zwischen Tansania und Deutschland

In die Beziehungen zwischen Tansania und Deutschland ist Bewegung gekommen. Seit dem Besuch von Bundespräsident Steinmeier in Songea Ende 2023 eröffnen sich Chancen für eine neue Phase in der Aufarbeitung der verflochtenen Geschichte. Beide Regierungen bemühen sich derzeit darum, einen formalen Rahmen für Restitution und Erinnerungsarbeit zu finden. Um für diesen eine möglichst langfristige Wirkung zu erzielen, ist es unerlässlich, in die zwischenstaatlichen Vereinbarungen auch zivilgesellschaftliche Initiativen zu integrieren.

Mit

  • Katja Keul, MdB, Staatsministerin im Auswärtigen Amt
  • H.E. Hassan Iddi Mwamwetai, Botschafter der Vereinigten Republik Tansania in Deutschland (tbc)
  • Prof. Dr. Andreas Mehler, Arnold-Bergstraesser-Institut / Universität Freiburg
  • Anael Gerald Moshi Meli, Nachfahre Mangi Meli

Moderation: Kirsten Krampe, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin

 

Fachkontakt:
Maria Kind
kind@boell.de


» Teilnahme vor Ort
im Konferenzzentrum der Heinrich-Böll-Stiftung, Schumannstr. 8, 10117 Berlin

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Weitere Termine
Dienstag, 14. Mai 2024
Adresse
Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin
Schumannstr. 8
10117 Berlin
Veranstalter/in
Heinrich-Böll-Stiftung - Bundesstiftung Berlin
Sprache
Deutsch
Englisch
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